Sod- und Stockbrunnen
Quellfassungen in der Umgebung Berns versorgten die seit dem 15. Jahrhundert errichteten Stockbrunnen mit frischem Trinkwasser.
Die Trinkwasserversorgung der Stadtbevölkerung wurde im 13. und 14. Jahrhundert durch mehrere Sodbrunnen und Quellwasserfassungen an der Nord- und Ostseite der Aarehalbinsel sichergestellt. Nach Konrad Justinger befanden sich mit dem Lenbrunnen an der Nordseite der Postgasse, dem Stettbrunnen am östlichen Ausgang der Brunngasse, dem Brunnen im Badergraben, der Brunnenfassung im Kreuzgang des Dominikanerklosters (Klosterkirchen der Dominikaner und Dominikanerinnen) und dem Schenkenbrunnen in der Äusseren Neustadt (Äussere Neustadt) insgesamt fünf mit fliessendem Quellwasser ausgestattete Brunnen innerhalb des 1343 ummauerten Stadtgebiets.
Stockbrunnen
Alle fünf Grundwasserbrunnen lieferten jedoch vor allem bei Trockenheit nur unzureichend Wasser, sodass der Rat beschloss, diese nach dem heissen Sommer des Jahres 1393 durch moderne Stockbrunnen zu ersetzen.[1] Die neuen Brunnen kamen in die Mitte der zentralen Gassen zu stehen. Sie konnten von den Stadtbewohnern deshalb viel bequemer erreicht werden als die alten Quellwasserfassungen, die sich alle entlang einer wasserführenden Schicht am nördlichen Rand des Stadtgebiets reihten. Die Stockbrunnen wurden im Unterschied zu den älteren Trinkwasserfassungen mit Quellwasser von ausserhalb der Stadt Bern gespiesen. Schultheiss und Rat konnten die Zahl der Brunnen auf diese Weise im Verlauf des 15. Jahrhunderts kontinuierlich vergrössern und die Qualität des Trinkwassers verbessern.[2] So blieb beispielsweise die Matte (Matte) bis 1420 ohne eigene Quellwasserversorgung, was Konrad Justinger zu folgender Bemerkung veranlasste: Waz [der Bau der Stockbrunnen] ein gross notdurft, won wie trüb und unrein die are waz, so hatten si da niden kein ander wasser.[3] Zu Beginn des 16. Jahrhunderts existierten schliesslich insgesamt neun Stockbrunnen, die über drei hölzerne Druckwasserleitungen mit frischem Quellwasser aus der Nachbarschaft Berns versorgt wurden.[4] Von diesen neun Brunnen befanden sich sieben in den zentralen Strassenmärkten, deren Bewohner in besonderem Masse vom Wasser der neuen Stockbrunnen profitierten. Zwei weitere Brunnen standen an peripheren Standorten in der Golatenmattgasse und in der Matte. Zuständig für den Unterhalt der Stockbrunnen war seit dem beginnenden 15. Jahrhundert der Brunnmeister (Brunnmeister).
Roland Gerber, 17.02.2018
[1] Konrad Justinger berichtet, dass es in diesem Sommer so heiss war, daz daz ertrich als murwe [mürbe] wart, daz es zerviel alz esche; Gottlieb Studer (Hg.): Die Berner Chronik des Conrad Justinger, Bern 1871, Nr. 290, S. 178.
[2] Roland Gerber: Öffentliches Bauen im mittelalterlichen Bern. Verwaltungs- und finanzgeschichtliche Untersuchung über das Bauherrenamt der Stadt Bern 1300 bis 1550 (Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 77), Bern 1994, S. 33-35.
[3] Gottlieb Studer (Hg.): Die Berner Chronik des Conrad Justinger, Bern 1871, Nr. 467, S. 288.
[4] Die neu errichteten Stockbrunnen standen an der oberen Spitalgasse (Oberspital- oder Christoffelbrunnen, seit 1711 Davidbrunnen), an der oberen Marktgasse (Kefibrunnen, seit 1860 Anna Seiler Brunnen), an der unteren Marktgasse (Schützenbrunnen), auf dem Kornhausplatz (Kindlifresserbrunnen), an der Kramgasse (Metzgerbrunnen, heute Simsonbrunnen), an der Kreuzgasse (Kreuzgassbrunnen), am unteren Ausgang der Gerechtigkeitsgasse (Stalden- oder Vierröhrenbrunnen), an der Aarbergergasse (Golatenmattgassbrunnen, seit 1860 Ryfflibrunnen) und in der Matte (Mattebrunnen); Armand Baeriswyl: Stadtbach, Brunnen und Gewerbekanal. Wasser als städtisches Lebenselement, in: BGZ, S. 54-62, hier 54-56. Vgl. dazu auch Hans Morgenthaler: Bilder aus der älteren Geschichte der Stadt Bern, Bern 1935 (2. Auflage), S. 82-86.