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Stadtviertel

Die vier Stadtviertel waren die Wehr-, Wahl- und Steuerbezirke der Stadt Bern. Diesen standen seit dem 13. Jahrhundert die aus der Viertelsbevölkerung ernannten Venner vor.

Die innere politische Organisation der Stadt Bern beruhte seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts auf der Unterteilung des Stadtgebiets in vier Wehr- und Steuerbezirke.[1] Diese teilten die zähringische Gründungsstadt (Zähringerstadt) zwischen Zeitglockenturm und Nydegg in vier etwa gleich grosse Stadtviertel. Die Aufsicht über die einzelnen Viertel oblag seit dem 13. Jahrhundert den Vennern (Venner). Diese wurden ursprünglich von der Viertelsbevölkerung aus ihrer Mitte ernannt.[2] Seit der Verfassungsreform von 1294 (Verfassungsreform von 1294) wurden alle Mitglieder des Rats der Zweihundert (Rat der Zweihundert), die Angehörigen des Wahlmännergremiums der Sechzehner (Wahlmännergremium der Sechzehner) sowie die Mehrheit der städtischen Amt- und Dienstleute (Ratsämter und Behörden) aus der Viertelsbevölkerung gewählt. Auch der Einzug der während des Spätmittelalters erhobenen Vermögenssteuern (Steuerpflicht) sowie die Aufgebote für Wach- und Fuhrdienste (Wach- und Wehrpflicht) führten die Venner jeweils nach der Viertelseinteilung durch.

Die Grenzen der Stadtviertel verliefen von West nach Ost entlang des Stadtbachs (Stadtbach), der die zentrale Kram- und Gerechtigkeitsgasse in der Mitte in zwei Hälften teilte, bis zu der um 1191 von Bertold V. von Zähringen erbauten Stadtburg bei Nydegg (Nydeggstalden). Dort folgten sie der östlichen Hangmauer der Burg bis in die Mattenenge, wo ein Torbogen den stadtherrlichen Burgbezirk von den Gewerbebetrieben in der Matte (Matte) trennte.[3] Die Viertelsgrenzen von Nord nach Süd verliefen ausgehend vom obersten Haus in der nördlichen Häuserreihe der Postgasse entlang der Kreuzgasse bis zum Chor der St. Vinzenzkirche (Pfarrkiche von St. Vinzenz).

Erweiterung der Stadtviertel nach Westen

Die wahrscheinlich bereits in der Gründungszeit Berns entstandene Viertelseinteilung blieb auch nach den beiden Stadterweiterungen nach 1255 (Erste Stadterweiterung nach 1255) und 1343 (Zweite Stadterweiterung nach 1343) sowie nach der Überbauung des Nydeggstaldens und der Zerstörung der zähringischen Stadtburg um 1268 bis zum Ende des Mittelalters massgeblich. Die beiden westlichen Stadtviertel wuchsen mit den Stadterweiterungen einfach gegen Westen, während der Stadtbach weiterhin als Viertelsgrenze diente. Im Osten folgte die Viertelseinteilung vorerst nicht dem nach 1268 neu entstandenen Nydeggstalden, sondern verlief wie zu Beginn des 13. Jahrhunderts entlang der östlichen Hangmauer der geschleiften Stadtburg.[4] Erst im Verlauf des 15. Jahrhunderts verschwanden Hangmauer und Torbogen aus dem Stadtbild und die Grenze zwischen den beiden östlichen Stadtvierteln wanderte gegen Ende des Jahrhunderts von der Mattenenge in die Mitte des Nydeggstaldens.[5] Entsprechend der wachsenden ökonomischen Bedeutung der Inneren Neustadt (Innere Neustadt), die in Bezug auf Wohn- und Sozialprestige im Verlauf des 15. und 16. Jahrhunderts weitgehend an die Zähringerstadt aufschloss (Soziale Aufwertung der Marktgassen), wurde die von Norden nach Süden verlaufende Viertelsgrenze im 16. Jahrhundert ebenfalls nach Westen auf die Höhe der 1468 neu errichteten Fleischschal (Fleisch- und Brotschalen) verschoben.[6] Als neue bis ins Jahr 1798 bestehende Viertelsgrenze etablierte sich schliesslich die Linie vom östlichen Ausgang der Brunngasse entlang des Schaal- und Münstergässleins bis zum Münsterplatz.[7]

Roland Gerber, 10.02.2018



[1]    Zur Viertelseinteilung der Stadt Bern vgl. Kdm Bern I, S. 4-7; Heinrich Türler: Bilder aus Vergangenheit und Gegenwart, Bern 1896, S. 203f.; sowie Alfred Zesiger: Das bernische Zunftwesen, Bern 1911, S. 41.

[2]    Auch in Nürnberg schien die Viertelsbevölkerung in Not- und Kriegszeiten bereits im 13. Jahrhundert unter der Aufsicht von vier Viertelsmeistern gestanden zu sein; Gerhard Pfeiffer (Hg.): Nürnberg. Geschichte einer europäischen Stadt, München 1971, S. 38.

[3]    Zur Topografie der zähringischen Stadtburg bei Nydegg vgl. Kdm Bern I, S. 62-68; sowie Hans Morgenthaler: Bilder aus der älteren Geschichte der Stadt Bern, Bern 1935 (2. Auflage), S. 23-26.

[4]    Im Udelbuch von 1389 werden die östliche Hangmauer der zerstörten zähringischen Stadtburg sowie der Torbogen in der Mattenenge noch ausdrücklich als Grenze der beiden östlichen Stadtviertel angegeben: Johans Genhart von Urtinon ist burger an einem IIII teil sines huses zwischent der mure da der burger zeichen stat und Johans Schaller; Udelbuch von 1389, Staatsarchiv Bern, B XIII 28, S. 177.

[5]    Erstmals dokumentiert ist diese neue Viertelsgrenze im Tellbuch von 1494; Emil Meyer (Hg.): Das Tellbuch der Stadt Bern aus dem Jahre 1494, in: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 30 (1930), S. 147-224, hier 147-207.

[6]    Die wachsende ökonomische Bedeutung der Inneren Neustadt zeigt sich im Bau verschiedener Gesellschaftshäuser, die im Verlauf des 15. und 16. Jahrhunderts entlang der Marktgasse errichtet wurden: Obere Gerber 1423, Obere Schuhmacher um 1424, Schmiede 1448, Schützen 1458, Weber 1465, Obere Zimmerleute 1515 sowie als Nachzügler die Gesellschaft zum Mittellöwen 1722. Vgl. dazu Kdm Bern I, S. 383-385; sowie Johannes Rudolf Gruner: Deliciae urbis Bernae. Merckwürdigkeiten der hochlöblichen Stadt Bern, Zürich 1732, S. 457f.

[7]    Kdm Bern I, S. 7; sowie Johannes Rudolf Gruner: Deliciae urbis Bernae. Merckwürdigkeiten der hochlöblichen Stadt Bern, Zürich 1732, S. 450.

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