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«Fremden Herren zu eng und zu schnöd»

Ein Jahr nach den Verheerungen des grossen Stadtbrands von 1405 beschloss der Berner Rat den Bau eines neuen repräsentativen Rathauses.

Als Konrad Justinger die Geschichte Berns um 1420 in einer Chronik darstellte, kam er nicht umhin, die Entstehung des eben erst fertiggestellten Rathauses (Rathaus) besonders ausführlich zu kommentieren.[1] Zu sehr erhitzten die hohen Kosten sowie die Umstände, die 1406 zum Rathausbau führten, noch die Gemüter in der Stadt. Das alte Rathaus war während des grossen Stadtbrands (Grosser Stadtbrand von 1405) im Mai 1405 vom verheerenden Feuer verschont geblieben. Trotzdem beschloss der Rat kaum ein Jahr später, sein bisheriges Versammlungslokal im rückwärtigen Eckhaus neben dem heutigen Münsterchor (Pfarrkirche von St. Vinzenz) aufzugeben und durch einen repräsentativen Neubau am nördlichen Ausgang der Kreuzgasse zu ersetzen. Vor allem jene Stadtbewohner, die ihr ganzes Hab und Gut in den Flammen verloren hatten, warfen dem Schultheissen Ludwig von Seftigen vor, Steuergelder für ein unnötiges Bauvorhaben zu verschwenden, das allein zur Selbstdarstellung und dem Ansehen einiger weniger Ratsherren diente. Justinger bemühte sich in seiner Chronik denn auch darum, den Rathausbau mit praktischen Erwägungen zu erklären. Zugleich betonte er die Unzulänglichkeiten des alten Rathauses, das für den Empfang ausländischer Gäste zu eng und für diplomatische Verhandlungen zu unbequem gewesen sei. Nach Justinger begründete der Rat seinen Entschluss damit, daz ir alt rathuss uf dem kilchofe ze klein were und frömden lüten, herren und stetten, da ze wartenne ze schnöd, ze enge und unkomlich were, darzu daz getöne von den gloggen und daz geschrey von der swely gar unlidlich were.

Prestigeprojekt von Schultheiss und Rat

Es waren jedoch vor allem Prestigegründe, die den Rat bewogen, sein bisheriges Versammlungslokal neben der Pfarrkirche an den nördlichen Ausgang der Kreuzgasse zu verlegen – stieg die Stadt Bern doch gerade zu dieser Zeit zur dominierenden Macht im westlichen Teil des heutigen Schweizer Mittellands auf (Entstehung des städtischen Territoriums). Entsprechend seines wachsenden Selbstbewusstseins begnügte er sich bei der Wahl des Baugrunds denn auch nicht mit einer während des Stadtbrands von 1405 frei gewordenen Parzelle, sondern beanspruchten eine prominente Liegenschaft in dem vom Feuer unversehrten Stadtzentrum. Da der Platz im Bereich der Kreuzgasse jedoch begrenzt war und keine leere Parzelle zur Verfügung stand, griff Ludwig von Seftigen zu einem drastischen Mittel. Er beschlagnahmte das Wohnhaus des vor wenigen Jahren gestorbenen Ritters Konrad von Burgistein (Ritter Konrad III. von Burgistein) und liess dieses gegen den Willen von dessen Schwester abreissen. Pikanterweise hatte er zuvor die junge Witwe des Adligen geheiratet, was in den Augen vieler Stadtbewohner einem Skandal gleichkam.

Enteignung als Rechtsbruch des Schultheissen

Auch Konrad Justinger verurteilte das harsche Vorgehen von Schultheiss und Rat (Schultheiss und Rat) gegen die Schwester Konrad von Burgisteins mit ungewohnt scharfen Worten. Der Ritter hatte vor seinem Tod um 1397 mit Ludwig von Seftigen einer der einflussreichsten Berner Bürger zu seinem Nachlassverwalter eingesetzt. Als Rechtsbeistand sollte der Schultheiss sowohl die Interessen von der Schwester des Ritters als auch von dessen Ehefrau gegen unberechtigte Erbansprüche schützen. Als Ludwig von Seftigen die Witwe jedoch heiratete, kam es zu einer unstatthaften Vermischung seiner persönlichen Interessen mit seinen Amtsbefugnissen als oberster Repräsentant der Berner Bürgerschaft. Er selbst ergriff Partei und erhob Anspruch auf den Nachlass Konrad von Burgisteins. Über die Schwester des Ritters – so berichtet Konrad Justinger – seien in der Folge viele Geschichten erzählt worden. Insbesondere kursierte das Gerücht, sie habe böswillig Dokumente unterschlagen, um sich der Hinterlassenschaft ihres Bruders zu bemächtigen. Schultheiss und Rat hätten sie deshalb gebüsst und ihr Haus an der Kreuzgasse beschlagnahmt: Also wart daz hus gebrochen und uf die hofstat ein nüw rathuss [gebaut].

Roland Gerber, 10.02.2018



[1]     Zum Folgenden vgl. Gottlieb Studer (Hg.): Die Berner Chronik des Conrad Justinger, Bern 1871, Nr. 329, S. 201f.

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