Nachrichter- und Frauenhaus
Das städtische Bordell befand sich im engen Ryffligässlein in der Äusseren Neustadt und konnte von fremden Reisenden gut erreicht werden.
Wahrscheinlich im 14. Jahrhundert entstand im nördlichen Quergässlein zur Spitalgasse, dem heutigen Ryffligässlein, das städtische Nachrichter- und Frauenhaus.[1] Sowohl die so genannt unehrliche Tätigkeit des Nachrichters als auch jene von Prostituierten waren in der mittelalterlichen Stadtgesellschaft verpönt, was sich in der versteckten Lage des vom Nachrichter verwalteten Frauenhauses in der Äusseren Neustadt (Äussere Neustadt) ausdrückte.[2] Das Bordell im engen Ryffligässlein war von der Spital- und Aarbergergasse, den beiden westlichen Zufahrtsstrassen Berns, schnell zu erreichen, sodass fremde Reisende bequemen Zugang zu diesem fanden. Die Bedeutung, die dem Nachrichter- und Frauenhaus im Spätmittelalter auch als Fremdenherberge (Elenden Herberge) zukam, verdeutlicht der Bericht Konrad Justingers über den Besuch König Sigismunds von Luxemburg in Bern im Juli 1414. Der Chronist nennt bei den Kosten, die während des Aufenthalts des Königs für dessen zahlreiches Gefolge angefallen waren, neben Sattlern, Köchen und Trompetern ausdrücklich auch die schönen frouwen im geslin.[3] Trotz ihrer prominenten Erwähnung in der Chronik kamen Prostituierten und dem Nachrichter in der mittelalterlichen Stadtgesellschaft nur eine niedere soziale Position zu. Das Udelbuch von 1389 (Udelbuch von 1389) nennt neben meister Ulli dem Henker bezeichnenderweise auch den bösen Seman [Simon] und die beschissen Greden als Anwohner des Ryffligässleins.[4]
Roland Gerber, 10.02.2018
[1] Kdm Bern III, S. 457f.
[2] Zur Funktion und Bedeutung mittelalterlicher Frauenhäuser vgl. Beate Schuster: Die freien Frauen. Dirnen und Frauenhäuser im 15. und 16. Jahrhundert, Frankfurt/New York 1995.
[3] Gottlieb Studer (Hg.): Die Berner Chronik des Conrad Justinger, Bern 1871, Nr. 366, S. 220.
[4] Udelbuch von 1389, Staatsarchiv Bern, XIII 28, S. 404f.