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Haushaltsgrösse und Familie

Im 15. Jahrhundert ging die Zahl der Wohnhäuser zurück, während sich die durchschnittliche Haushaltsgrösse von vier auf fünf Erwachsene vergrösserte.

Die in den Tellbüchern aufgezeichneten selbständigen Haushaltvorstände entsprachen im späten Mittelalter bei sinkender Tendenz im 15. Jahrhundert zwischen einem Drittel und einem Viertel der gesamten Stadtbevölkerung (Bevölkerungs- und Stadtentwicklung). Rund 84 Prozent dieser Haushaltvorstände besassen um 1389 ein eigenes Stadthaus. In Udelbuch (Udelbuch von 1389) und Tellbüchern von 1389 (Tellbuch von 1389) lassen sich über 1’600 Wohnhäuser lokalisieren, die sich auf etwa 1’500 verschiedene Hausbesitzer verteilten.[1] Bei einer geschätzten Einwohnerzahl von über 6’000 Personen kann somit am Ende des 14. Jahrhunderts von durchschnittlich vier Bewohnern pro Haus ausgegangen werden.[2] Im Verlauf des 15. Jahrhunderts ging die Zahl der Stadthäuser dann erheblich zurück. Gleichzeitig vergrösserte sich die Bewohnerschaft eines Hauses trotz rückläufiger Einwohnerzahlen auf durchschnittlich fünf Personen.[3] Ein ähnlicher Wert ergibt sich, wenn die Zahl der wehrpflichtigen Männer in Beziehung zur Gesamtbevölkerung gesetzt wird. Während die aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts überlieferten Stuben- und Auszugsrödel rund 850 wehrpflichtige Männer nennen, verzeichnet die Feuerstättenzählung von 1558/59 insgesamt 1’034 Wehrpflichtige, die sich auf 963 verschiedene Feuerstätten verteilten.[4] Die Zahl der Wehrpflichtigen dürfte somit am Ende des Mittelalters bei einer durchschnittlichen Feuerstättengrösse zwischen fünf und sechs Personen ungefähr einem Fünftel der Bewohnerschaft Berns entsprochen haben.[5]

In rund einem Fünftel der Haushalte lebte nur eine Person

Die von Friedrich Emil Welti gezählten 3’279 erwachsenen Stadtbewohner verteilten sich 1448 auf etwa 1’350 verschiedene Haushalte. Von diesen können ungefähr 290 oder 21 Prozent als Einpersonenhaushalte bezeichnet werden.[6] Die durchschnittliche Haushaltsgrösse betrug drei bis vier Personen, wobei Haushalte mit zwei bis drei Erwachsenen am häufigsten anzutreffen waren.[7] Es lebten ungefähr 750 Dienstmädchen und Knechte in der Stadt Bern. Diese verteilten sich auf rund 440 verschiedene Haushalte, wobei die Zahl der Mägde jene der Knechte um etwa fünf Prozent übertraf. Der Anteil des unselbständigen Dienstpersonals an der Gesamtbevölkerung Berns betrug um die Mitte des 15. Jahrhunderts somit rund 23 Prozent. Dieser Wert entspricht ungefähr demjenigen in anderen süddeutschen und eidgenössischen Städten.[8]

Handwerkerhaushalte

Handwerksbetriebe bestanden mehrheitlich aus zwei bis drei erwachsenen Personen, in denen neben dem Handwerksmeister und dessen Ehefrau in der Regel noch ein Knecht oder eine Magd beschäftigt waren. Nur selten finden sich erwachsene Söhne oder Brüder des Meisters in der Produktionsgemeinschaft dieser Handwerksbetriebe.[9] Grössere Haushalte besassen vor allem jene Handwerker, deren Tätigkeiten den Besitz ganzer Stadthäuser voraussetzten. Dazu gehörten Bader, Walker, Tuchfärber, Ziegler und Müller.[10] Aber auch Gerber, Metzger, Bäcker und Schmiede konnten Haushaltgrössen bis zu sieben erwachsenen Personen erreichen. Die grössten Haushalte finden sich bei den spezialisierten Handwerkern. Das Tellbuch nennt hier vor allem Büchsen- und Waffenschmiede, Armbrustmacher, Harnischer, Glockengiesser, Steinmetze, Glasmacher, Apotheker und Wundärzte. Ein Grossteil dieser spezialisierten Handwerker erlernte ihren Beruf ausserhalb Berns und war von Schultheiss und Rat wegen ihren besonderen Fähigkeiten zu erleichterten Niederlassungs- und Einbürgerungsbedingungen in der Stadt angesiedelt worden (Migrationsräume).[11]

Haushalte der Adels- und Notabelngeschlechter

Die weitaus meisten Personen lebten im 15. Jahrhundert in den Haushalten der sozial hochgestellten und politisch einflussreichen Adels- und Notabelngeschlechter (Adels- und Notabelngeschlechter). Diese konnten bis zu zwölf Erwachsene zählen. Die Mitglieder dieser Haushalte wohnten in grossen und geräumigen Stadthäusern, an die sich häufig noch kleinere Neben- oder Hinterhäuser für die zahlreichen Mägde und Knechte angliederten.[12] Im Unterschied zu den Haushalten der Handwerker lebten in jenen der Adels- und Notabelnfamilien nicht selten auch erwachsene Söhne samt deren Ehefrauen, Kindern und Dienstpersonal. Die Grösse der Haushalte stand in direkter Abhängigkeit zu Ansehen und Vermögen der Haushaltvorstände (Vermögensentwicklung), deren soziale Stellung sich auch in der personellen Zusammensetzung der von ihnen geführten Haushalte widerspiegelte. Während beispielsweise im Haushalt des Schultheissen Heinrich IV. von Bubenberg (Familie von Bubenberg) ein Narr die adlige Lebensführung dieses alteingesessenen Ministerialengeschlechts augenscheinlich macht, dokumentieren die im Haushalt des Venners (Venner) Peter Brüggler lebenden Ochsen- und Schafhirte, dass der Reichtum der Familie Brüggler hauptsächlich auf deren Einkünften aus dem Vieh- und Lederhandel (Leder- und fellverarbeitende Berufe) beruhte[13].

Roland Gerber, 17.07.2018



[1]       Eduard von Rodt zählt im Udelbuch von 1389 insgesamt 1 883 udelpflichtige Wohnhäuser und Scheunen; Eduard von Rodt: Bernische Stadtgeschichte, Bern 1886, S. 255-257.

[2]       Ferdinand Buomberger errechnet für Freiburg im Uechtland im 15. Jahrhundert eine durchschnittliche Haushaltgrösse von rund vier Personen; Ferdinand Buomberger: Bevölkerungs- und Vermögensstatistik in der Stadt und Landschaft Freiburg um die Mitte des 15. Jahrhunderts (Freiburger Geschichtsblätter 6 und 7), Freiburg 1900, S. 109.

[3]       Ein ähnliches Anwachsen der durchschnittlichen Haushaltgrössen kann im 15. Jahrhundert auch für die Stadt Zürich nachgewiesen werden; Randolph C. Head: Haushalt und Familie in Landschaft und Stadt Zürich, nach Steuerbüchern des 15. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 40, Heft 2 (1994), S. 113-132, hier 121.

[4]       Emanuel von Rodt: Geschichte des bernischen Kriegswesens. Von der Gründung der Stadt Bern bis zur Staatsumwälzung von 1798, Bd. 1., Bern 1831, S. 296.

[5]       Hektor Ammann geht bei seiner Auswertung des Visitationsberichts von 1416 für das Bistum Lausanne ebenfalls von durchschnittlich fünf Personen pro Feuerstätte aus; Hektor Ammann: Die Bevölkerung der Westschweiz im ausgehenden Mittelalter, in: Festschrift für Friedrich Emil Welti, hg. von Hektor Ammann, Aarau 1937, S. 399.

[6]       Randolph Head zählt in der Stadt Zürich im 15. Jahrhundert über 30 Prozent Einpersonenhaushalte; Randolph C. Head: Haushalt und Familie in Landschaft und Stadt Zürich, nach Steuerbüchern des 15. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 40, Heft 2 (1994), S. 113-132, hier 119.

[7]       Die Zahl der Haushalte mit zwei bis drei erwachsenen Personen macht in Freiburg im Breisgau am Ende des 15. Jahrhunderts rund 53 Prozent aller städtischen Haushalte aus. Vgl. dazu Peter-Johannes Schuler: Die Bevölkerungsstruktur der Stadt Freiburg im Breisgau im Spätmittelalter. Möglichkeiten und Grenzen einer quantitativen Quellenanalyse, in: Voraussetzungen und Methoden geschichtlicher Städteforschung, hg. von Wilfried Ehbrecht (Städteforschung, Reihe A: Darstellungen 7), Köln/Wien 1979, S. 139-176, hier 154. Auch in Zürich gehörten die zwei bis drei Personenhaushalte im 15. Jahrhundert zu den häufigsten Haushaltsgrössen; Randolph C. Head: Haushalt und Familie in Landschaft und Stadt Zürich, nach Steuerbüchern des 15. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 40, Heft 2 (1994), S. 113-132, hier 118-121.

[8]       In Freiburg im Breisgau betrug der Anteil des unselbständigen Dienstpersonals an der Gesamtbevölkerung am Ende des 15. Jahrhunderts etwa 20 Prozent; Peter-Johannes Schuler: Die Bevölkerungsstruktur der Stadt Freiburg im Breisgau im Spätmittelalter. Möglichkeiten und Grenzen einer quantitativen Quellenanalyse, in: Voraussetzungen und Methoden geschichtlicher Städteforschung, hg. von Wilfried Ehbrecht (Städteforschung, Reihe A: Darstellungen 7), Köln/Wien 1979, S. 139-176, hier 163. Randolph Head errechnet für die Stadt Zürich im Jahr 1467 einen Anteil von rund 14 Prozent Dienstpersonen an der Gesamtbevölkerung. Die von Head durchgeführten Berechnungen berücksichtigen jedoch nur diejenigen Personen, die in den Steuerbüchern explizit als Knechte oder Mägde bezeichnet werden; Randolph C. Head: Haushalt und Familie in Landschaft und Stadt Zürich, nach Steuerbüchern des 15. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 40, Heft 2 (1994), S. 113-132, hier 127. Grundsätzlich nimmt der Anteil des unselbständigen Dienstpersonals von den kleineren zu den grossen respektive von den mehr agrarischen zu den gewerblichen und kommerziellen Städten zu; Erich Maschke: Die Unterschichten der mittelalterlichen Städte Deutschlands, in: Gesellschaftliche Unterschichten in den südwestdeutschen Städten, hg. von Erich Maschke und Jürgen Sydow (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B: Forschungen 41), Stuttgart 1967, S. 28-30.

[9]       Zur familienbetrieblichen Struktur vorindustrieller Handwerksbetriebe vgl. Michael Mitterauer: Grundtypen alteuropäischer Sozialformen. Haus und Gemeinde in vorindustriellen Gesellschaften, Wien 1978, S. 98-122; sowie Michael Mitterauer: Familie und Arbeitsorganisation in städtischen Gesellschaften des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, in: Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. von Alfred Haverkamp (Städteforschung, Reihe A: Darstellungen 18), Köln/Wien 1984, S. 1-36.

[10]     In Zürich gab es im Jahre 1467 nur drei Haushalte, die mehr als sechs erwachsene Personen zählten. Der grösste Haushalt befand sich am Rennweg und gehörte einem Müller; Randolph C. Head: Haushalt und Familie in Landschaft und Stadt Zürich, nach Steuerbüchern des 15. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 40, Heft 2 (1994), S. 113-132, hier 127.

[11]     Im Stadtbuch von 1436 sind verschiedene Bestallungsbriefe für spezialisierte Handwerker sowie für einzelne Akademiker wie Schulmeister und Stadtärzte überliefert. Diese wurden vom Berner Rat zu besonders günstigen Bedingungen wie Steuerfreiheit und kostenloser Unterkunft sowie gegen die Bezahlung eines vertraglich vereinbarten Jahreslohnes für eine bestimmte Zeit in der Stadt angesiedelt. Vgl. dazu SSRQ Bern Stadt I/2, Nr. 35 (Büchsenmeister Johannes von Schneit 1435), Nr. 36 (Organist Johannes Rosenzweig von Würzburg 1454), Nr. 62 (Schulmeister und Stadtarzt Jakob von Hillisheim 1435), Nr. 63 (Stadtarzt Peter von Ulm 1447), Nr. 66 (Münsterwerkmeister Niklaus Birenvogt 1469), Nr. 93 (Wollweber und Tuchfärber Gauthier von Villarsel 1463), Nr. 95 (Stadtarzt Johannes Mutzler von Schwäbisch Gmünd 1452), Nr. 143 (Schulmeister Johannes Fest von Konstanz 1458) sowie Nr. 147 (Peter Reklau 1470).

[12]     Zu den städtischen Wohnbauten Berns vgl. Eva Roth: «Wie man nach der brunst buwen sol“. Städtische Wohnbauten im spätmittelalterlichen Bern, in: Berns grosse Zeit. Das 15. Jahrhundert neu entdeckt, hg. von Ellen J. Beer, Norberto Gramaccini, Charlotte Gutscher und Rainer C. Schwinges, Bern 1999, S. 161-173.

[13]     Friedrich Emil Welti (Hg.): Das Tellbuch der Stadt Bern aus dem Jahre 1448, in: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 33 (1936), S. 353-486, hier 386 und 429.

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