Adlige Stadtbürger
Die in der Stadt ansässigen Adligen verstanden sich seit dem 13. Jahrhundert als vollwertige Bürger.
Die in der Goldenen Handfeste (Goldene Handfeste) überlieferten Bürgerrechtsbestimmungen (Aufnahme ins Bürgerrecht) enthalten keinerlei rechtliche Unterscheidungen zwischen Adel (milites) und Bürger (burgenses), wie diese in anderen Stadtrechtsurkunden des 13. Jahrhunderts anzutreffen sind. Während beispielsweise in Freiburg im Uechtland noch in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zwischen burgenses minores und burgenses majores unterschieden wurde, hatten alle Berner Bürger unabhängig ihrer Herkunft und ihres sozialen Standes spätestens seit 1273 den gleichen Bürgereid (Bürgereid) auf die Stadtverfassung abzulegen und sämtlichen im Stadtrecht (Stadtrecht) formulierten Rechten und Verpflichtungen gleichermassen nachzukommen.[1] Standesrechtliche Unterscheidungen finden sich lediglich in den Marktordnungen der Handfeste, die älteres Kölner Kaufmannsrecht rezipieren und in denen die Angehörigen von Klerus und Adel von der Leistung der üblichen kommunalen Markt- und Verkehrszölle befreit werden.[2] Die seit der Stadtgründung in Bern ansässigen Adels- und Ministerialengeschlechter verstanden sich somit bereits seit dem 13. Jahrhundert als vollwertige Mitglieder der städtischen Bürgerschaft, deren Rechte und Privilegien sie genossen und deren Pflichten sie gemeinsam mit den andern Bürgern nachkamen (Bürgerpflichten).
Der Besitz von Grund- und Gerichtsherrschaften in der Landschaft sowie der gehobene soziale Status verschafften den Twingherren während des Mittelalters eine führende Stellung im Kreis der Bürger. Dies zeigt sich in der Besetzung des Schultheissenamts, die seit dem beginnenden 13. Jahrhundert vornehmlich von Angehörigen der auf dem Land begüterten Adelsgeschlechter wahrgenommen wurde. Die Einbindung dieser Familien ins Bürgerrecht (Bürgerrecht) ermöglichte es den Bürgern, in Krisenzeiten auf die ökonomischen und personellen Ressourcen der Twingherren zurückzugreifen. Neben der Besteuerung ihres ländlichen Grundbesitzes waren es vor allem die Versorgung der Stadtbevölkerung mit Nahrungsmitteln sowie die Aushebung militärischer Aufgebote in den ländlichen Gerichtsherrschaften, die den Twingherrengeschlechtern (Twingherren) eine grosse politische Bedeutung zukommen liessen. Der massgebliche rechtliche Verknüpfungspunkt zwischen den Stadtbürgern und den Twingherren bildete das Bürgerrecht, das die periodisch auf dem Land residierenden Gerichtsherren (Weltliche und geistliche Gerichtsherren) zur Einhaltung der von ihnen geschworenen Bürgerpflichten verpflichtete.
Roland Gerber, 15.07.2018
[1] Auch der um 1250 verfasste erste Richtebrief der Stadt Zürich unterscheidet zwischen Bürgern und Rittern, die keine Steuern leisteten; Bruno Koch: Neubürger in Zürich. Herkunft und Entwicklung der Bürgerschaft der Stadt Zürich im Spätmittelalter 1350 bis 1550, Weimar 2002.
[2] SSRQ Bern I/1, Artikel 16, S. 8f.