Geldhändler und Wechsler
Auswärtigen Geldhändlern und Wechlslern kamen während des Mittelalters eine wichtige ökonomische Bedeutung für die Stadtgesellschaft zu.
Die wachsende Bedeutung, die dem Geldverkehr in der spätmittelalterlichen Stadtgesellschaft zukam, hatte zur Folge, dass sich seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts jüdische (Juden) und südeuropäische Geldhändler (Lombarden und Kawertschen) in Bern niederliessen.[1] Die steigende Nachfrage an Bargeld veranlasste den Rat, auswärtige Geldhändler nach Bern zu berufen und diesen innerhalb der Stadtmauern eine Arbeitsbewilligung sowie die Niederlassung ihrer Familien zu gewähren. Juden, Lombarden und so genannte Kawertschen[2] durften sich ursprünglich ohne weitere Auflagen überall im Stadtgebiet frei niederlassen.[3] Obwohl aus dem 13. Jahrhundert keine Bestimmungen überliefert sind, in denen die Niederlassung auswärtiger Geldwechsler rechtlich geregelt werden, scheinen diese von Anfang jedoch zu besonderen Bedingungen ins städtische Bürgerrecht aufgenommen worden zu sein (Aufnahme ins Bürgerrecht).[4] Den Juden gewährte der Rat am südlichen Rand der nach 1255 erbauten Inneren Neustadt (Innere Neustadt) das Recht, einen eigenen Friedhof anzulegen und zu unterhalten.[5] Während es jedoch den norditalienischen Geldhändlern gelang, im 15. Jahrhundert in den Kreis der regimentsfähigen Geschlechter aufstiegen, erlitten die Juden immer wieder gewalttätige Verfolgungen. 1427 wurden sie schliesslich endgültig aus der Stadt vertrieben.
Roland Gerber, 14.07.2018
[1] Zur Geschichte der Juden in der spätmittelalterlichen Stadt Bern vgl. Gustav Tobler: Zur Geschichte der Juden im alten Bern bis 1427, in: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 12 (1889), S. 336-367; ders.: Bern und die Juden, in: Berner Taschenbuch (1893/94), S. 117-140; sowie Erich Frischhof: Die Stellung der Juden in der Stadt Bern im Mittelalter, Tel Aviv 1973.
[2] Der Begriff «Kawertschen» leitet sich von der südfranzösischen Stadt Cahors ab: J. J. Amiet: Die französischen und lombardischen Geldwucherer des Mittelalters, namentlich in der Schweiz, Zürich 1877, S. 13-28.
[3] Zur räumlichen Ausgrenzung von Juden vgl. Hans-Jörg Gilomen: Spätmittelalterliche Siedlungssegregation und Ghettoisierung, insbesondere im Gebiet der heutigen Schweiz, in: Stadt- und Landmauern, Bd. 3: Beiträge zum Stand der Forschung (Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege an der ETH Zürich), Zürich 1998, S. 85-106, für Bern S. 90f.
[4] Dass die Juden im 13. Jahrhundert auch Grund- und Hausbesitz innerhalb der Stadtmauern erwerben konnten, kann aufgrund des vorhandenen Quellenmaterials nur vermutet werden. Vgl. dazu Hans-Jörg Gilomen: Städtische Sondergruppen im Bürgerrecht, in: Neubürger im späten Mittelalter, hg. von Rainer C. Schwinges (Beiheft der Zeitschrift für Historische Forschung 30), Berlin 2002, S. 125-167.
[5] Noch im 15. Jahrhundert hiess die südlichste Gasse der Inneren Neustadt Judengasse und das dazugehörige Stadttor Judentor; Gustav Tobler: Zur Geschichte der Juden im alten Bern bis 1427, in: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 12 (1889), S. 336-367, hier 346.