Venner als städtische «Spitzenbeamte»
Die Venner waren für alle wichtigen Bereiche der Stadtverwaltung wie Brandbekämpfung, Steuereintreibung und Wehrwesen zuständig.
Die Venner (Venner), die als städtische Bannerträger ursprünglich vor allem militärische Funktionen wahrgenommen hatten, gehörten im 15. Jahrhundert neben Schultheiss und Säckelmeister (Säckelmeister) zu den wichtigsten Amtsträgern der Stadt Bern und waren für alle zentralen Bereiche der kommunalen Verwaltung verantwortlich.[1] Neben dem Steuer- (Steuerpflicht) und Wehrwesen (Wach- und Wehrpflicht) zählten sämtliche die Viertelsbevölkerung betreffenden Angelegenheiten von der Brandbekämpfung über die Einwohnerkontrolle bis zur Oberaufsicht über die städtische Bau- und Finanzverwaltung zu den Aufgaben der Viertelsvorsteher. Des Weiteren bezogen die Venner Abgaben und Steuern und organisierten Fron- und Fuhrdienste für den Bau und Unterhalt kommunaler Gebäude und Anlagen (Kommunale Gebäude). Aber auch die Einteilung der Wachdienste, die Organisation und Führung militärischer Aufgebote, die Durchsetzung von Ratsbeschlüssen in der Bevölkerung sowie die Kontrolle von Brandschutzmassnahmen wie der Kauf von Feuereimern und Leitern lagen im Aufgabenbereich der Venner und ihrer Bediensteten, der so genannten Vennerweibel. Seit dem 14. Jahrhundert beaufsichtigten die Viertelsvorsteher ausserdem die neu ins bernische Bürgerrecht aufgenommenen Personen (Aufnahme ins Bürgerrecht), über deren Udelbesitz (Udelhausbesitz) sie in jedem Stadtviertel Buch führten (Udelbuch von 1389).[2] Wahrscheinlich bereits seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts hatten die Venner ausserdem das Recht, während der jährlich an Ostern stattfindenden Ratserneuerung (Wahlprozedere an Ostern) jeweils vier Männer aus den vier Stadtvierteln und seit Ratsentsetzung von 1384 (Ratsentsetzung von 1384) exklusive aus den Mitgliedern der vier Handwerksgesellschaften der Gerber, Metzger, Schmiede und Pfister (Vennerviertel und Vennergesellschaften) zu ernennen. Diese so genannten Sechszehner nominierten dann ihrerseits die neuen Mitglieder des Rats der Zweihundert.[3]
Soziale Aufsteiger aus der Handwerkerschaft
Bemerkenswert ist, dass Venner und Heimlicher (Heimlicher), trotz der wichtigen Aufgaben, die sie seit dem beginnenden 14. Jahrhundert im Namen der Bürger ausübten, in den vor 1384 überlieferten Urkunden bloss in den Jahren 1334 und 1353 explizit als solche bezeichnet werden.[4] Nur wenige Nennungen finden sich ausserdem in der chronikalischen Überlieferung Konrad Justingers sowie in den Säckelmeisterrechnungen von 1375 bis 1384. Wird die soziale Herkunft jener 24 Männer vergleichend analysiert, die in Schriftquellen vor der Ratsentsetzung von 1384 als Venner identifiziert werden können, lässt sich feststellen, dass es sich bei diesen vorwiegend um soziale Aufsteiger aus der Handwerkerschaft handelte. Als Meister standen sie entweder noch selbst einem Gewerbebetrieb vor oder können als Kaufleute mit einem der vier kommerziellen Handwerksgesellschaften der Stadt in Verbindung gebracht werden. Venner wie Heimlicher werden in den Zeugenlisten zudem jeweils am Schluss der amtierenden Kleinräte, aber noch vor den Mitgliedern des Rats der Zweihundert aufgeführt. Auffällig ist, dass die meisten Venner wie Heinrich Rieder und Johannes Dietschi jeweils für eine längere Zeit als Viertelsvorsteher amtierten. Johannes Dietschi gehörte mit 25 Zeugennennungen zu den einflussreichsten Persönlichkeiten in Bern vor 1384. Spätestens seit 1381 sass er im Kleinen Rat und zwischen 1377 und 1384 zeigte er sich für den Einzug des Grossen Weinungelds, einer Konsumsteuer auf den in der Stadt Bern ausgeschenkten Wein, verantwortlich. Während der Ratsentsetzung musste er jedoch seine Ämter als Ratsherr und Venner wie auch als Ungeldner (Ungeldner) niederlegen. Das gleiche Schicksal ereilte den Gastwirt Johannes von Krauchthal, Johannes (II) von Muhleren und Ulrich Ladener, der an der Nordseite der Junkerngasse eine Badstube betrieb.[5] An ihrer Stelle wählten die opponierenden Bürger mit Rudolf Wipprecht, Johannes von Wohlen, Niklaus (I) von Gisenstein und Peter von Greyerz vier jüngere Männer zu Vennern, die politisch bislang noch nicht in Erscheinung getreten waren. Niklaus von Gisenstein und Peter von Greyerz versteuerten mit 300 beziehungsweise 500 Gulden auch die geringsten Vermögen (Vermögensentwicklung) im 1384 neu gewählten Rat. Sie dürften einen Teil ihres Einkommens im Unterschied zu den meisten anderen Ratsherren somit noch aus gewerblichen Tätigkeiten bezogen haben.
Roland Gerber, 17.07.2018
[1] SSRQ Bern I/II, Nr. 366, S. 407f. sowie der Vennereid aus dem 15. Jahrhundert. In diesem werden die Venner dazu verpflichtet, [...] sunders ouch der paner und des zeichens getruwlich zu warten und zu versechen, und tag und nacht das inmassen zu versorgen, damit es nit werde veruntruwet noch verwarloset und sich ouch davon, ob das zu nöten keme, nit scheiden noch trenngen lassen, sunder dabi bliben bis in den tod; darzu sullent ouch si all nacht die wachten nach aller notdurft besetzen und versorgen, als das von altem her komen ist, [...]; SSRQ Bern I/2, Nr. 174, S. 121. Nach der Belagerung von Burgdorf erhielten die vier Venner 1384 als Entschädigung für die Kosten, die sie und ihre Knechte, die die banner trugen, 8 Pfund aus der Stadtkasse ausbezahlt; Friedrich Emil Welti (Hg.): Die Stadtrechnungen von Bern aus den Jahren 1375-1384, Bern 1896, hier Stadtrechnungen 1384/I, S. 314. Vgl. dazu auch Karl Geiser: Die Verfassung des alten Bern, in: Festschrift zur VII. Säkularfeier der Gründung Berns 1191-1891, Bern 1891, S. 115-117.
[2] Roland Gerber: Expansion mit dem Federkiel. Die Berner Kanzlei und der städtische Herrschaftsaufbau auf dem Land im späten Mittelalter, in: Berner Zeitschrift für Geschichte 74 (2012), S. 3-35, hier 13.
[3] Zu den Ratswahlen im 15. Jahrhundert vgl. Regula Schmid: Wahlen in Bern. Das Regiment und seine Erneuerung im 15. Jahrhundert, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 58 (1996), S. 233-270, hier 248-259.
[4] FRB/6, Nr. 148, S. 136 f.; sowie FRB/8, Nr. 3, S. 1f.
[5] Udelbuch von 1389, Staatsarchiv Bern, B XIII 28, S. 20.