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Reinhaltung der Gassen

Besonders stark reglementiert wurde die Reinhaltung der städtischen Gassen von Unrat und Mist.

Zu den Aufgaben der Baubehörde gehörte seit dem 14. Jahrhundert die Reinhaltung der städtischen Gassen und Strassen, die wie die beiden Allmenden zum Grundbesitz der Stadtgemeinde gehörten. Es waren die von den Bauherren (Bauherren) auf den kommunalen Baustellen beschäftigten Karrer und so genannte Kärlisleute, die je nach Notwendigkeit die Gassen säuberten und den Unrat und Mist aus der Stadt führten.[1] Bereits die ältesten erhaltenen Säckelmeisterrechnungen (Säckelmeister) nennen einen Karrer namens Schilt, der zusammen mit dem Bachmeister die städtischen Gassen säuberte und Ablagerungen aus den Ehgräben (Kloakenkanälen) wegkarrte.[2] Obwohl die Kärlisleute bereits seit dem 14. Jahrhundert nachweislich eine wichtige Rolle bei der Abfallentsorgung der Stadt spielten, wurden ihre Pflichten und Aufgaben erst im 16. Jahrhundert in einer speziellen Kärlisleuteordnung schriftlich festgehalten. Dabei legte der Rat fest, dass die im Dienste der Stadt arbeitenden Kärlisleute den herd und allen wust [Unrat] allenthalben in den gaßen ufrumen und an die ort, dahin sy gewyst werden, furen söllent und auch alle anderen von den Bauherren und Werkmeistern in Auftrag gegebenen Arbeiten fleissig und ane widersprechen ausführen sollten. Bei ihrer Anstellung mussten sie den Bauherren schwören, abends und morgens an- und abzufahren, wie das bisher allweg der bruch und gwonheit gsin ist. Die Bauherren konnten so viele Kärlisleute und Karrer einstellen und auch wieder entlassen, wie es der Stadt von Nutzen war. Als Taglohn erhielt jeder Kärlismann, der mit einem Pferd arbeitete, während des Sommers – vom 29. Juni (St. Peterstag) bis zum 16. Oktober (St. Gallustag) – für Pferd und Mann 7 Schillinge ausgerichtet. Im Winter betrug sein Taglohn wegen der kürzeren Arbeitszeiten nur noch 6 Schillinge, wobei er im tag nit mer, dann einmal uß setzen durfte. Kam es in der Stadt zu grossen Anhäufungen von Unrat, konnten die Karrer und Kärlisleute auch mit zwei Pferden arbeiten, wobei ihnen im Winter und Sommer gleichermassen höchstens 10 Schillinge Taglohn ausbezahlt wurden.[3]

Im Jahre 1559 erfuhr die Anstellungspraxis der Kärlisleute dann insofern eine Änderung, als ihre bisherigen Taglöhne in eigentliche Akkordlöhne umgewandelt wurden. Der Rat legte fest, dass die Kärlisleute für jede Fuhre Erde und Abfall unabhängig des zurückgelegten Weges durchwegs 6 Pfennige erhalten sollten. Ausserdem gewährte ihnen der Rat jede Woche ein halbes Mütt[4] Hafer im Wert von 8 Schillingen als Naturallohn, wie es von alter har Brauch sei. Schubkarren, Schaufeln und Pickel konnten die Kärlisleute jeweils aus den städtischen Werkhöfen beziehen.[5]

Die in den Gassen gehaltenen Schweine verursachen den grössten Mist

Die grössten Verunreiniger der städtischen Gassen waren während des gesamten Mittelalters die unzähligen Nutztiere, die die Einwohner der Stadt Bern frei in den Gassen herumlaufen liessen und die sich von den auf die Strasse geworfenen Hausabfällen ernährten. Überall befanden sich Ställe und Scheunen, und unter den Lauben und in den Gassen wurden Miststöcke angelegt, Holzscheite getrocknet, Baumaterialien gelagert und Weinfässer aufgestapelt. Dem Strassenverkehr erwuchsen daraus immer wieder starke Behinderungen, sodass sich der Rat noch 1580 darüber beklagte, das dise statt meer einem dorff, dan einer verrümpten statt zu verglichen und in dem allen andern stetten, so etwas ansechens, gar unglich sei.[6] Besonders viel Schmutz verursachten die vielen Schweine, die für die Fleischversorgung der Stadtbevölkerung eine wichtige Rolle spielten. Bereits im Jahre 1313 beschloss der Rat, gegen die von der Schweinemast herrührenden Verunreinigungen vorzugehen und die Schweineställe aus den wichtigsten Gassen in die Hinterhöfe der Wohnhäuser zu verbannen. Die Bürger wurden in einer Verordnung dazu angehalten, vor den Haustüren keine Ställe mehr zu errichten, wobei Zuwiderhandlungen mit einem Bussgeld von einen Pfund und einem Monat Verbannung aus der Stadt bestraft wurden.[7] Um 1400 ging der Rat schliesslich noch einen Schritt weiter, indem er vorschrieb, dass jeder Einwohner den Mist und die Holzstapel vor seiner Türe innerhalb einer Frist von 14 Tagen wegzuräumen habe. Säumige hatten eine Busse von 5 Schillinge für jeden Tag Verspätung an den Einunger und später an die Vennerweibel (Venner) zu bezahlen.[8] Als im Jahre 1414 König Sigmund aus dem Hause Luxemburg seinen Besuch in Bern ankündigte, sah sich der Rat jedoch erneut dazu genötigt, die Stadt von Mist, Erde und Bauholz räumen zu lassen. Ausgenommen blieben Mörtel und Pflastersteine, mit denen man die Strassen zu pflästern gedachte.[9]

1530 wird die Schweinemast in der Innenstadt verboten

Im Jahre 1530 beschloss der Rat, die Schweinemast in der Innenstadt gänzlich zu verbieten und die von den Bürgern gehaltenen Tiere zu kontingentieren. Er legte fest, dass sämtliche Schweine zukünftig nicht mehr frei in den Gassen herumlaufen durften, sondern von den beiden Stadthirten täglich auf die Allmenden getrieben werden mussten.[10] Gleichzeitig hatten die noch vorhandenen Schweineställe endgültig aus den zentralen Strassenzügen zu verschwinden. Die Stadtbewohner wurden wie schon im Jahre 1400 dazu aufgefordert, ihre Miststöcke alle vierzehn Tage aus der Stadt zu führen und Baumaterialien nach Abschluss der Bauarbeiten unverzüglich von der Strasse zu räumen. Die Grösse der vor den Häusern gelagerten Holzstapel wurde auf zwei Fuder beschränkt, wobei die Holzscheite nur noch in den Monaten Mai bis August zum Trocknen in den Gassen ausgebreitet werden durften. Bauherren und Säckelmeister hatten ausserdem verschiedene Parzellen aus den Stadtallmenden auszuscheiden, auf denen Scheunen für die Unterbringung der in den städtischen Gassen gelagerten Weinfässer errichtet werden sollten. Für die Durchsetzung der obengenannten Bestimmungen ernannte der Rat einen speziellen Weibel, der sämtliche städtischen Gassen regelmässig zu inspizieren und allfällige Sünder mit einem Bussgeld von 10 Schillinge zu bestrafen hatte. Die Bussgelder sollten je zur Hälfte an seinen Lohn und an die Stadt gehen.[11] Im Jahre 1544 liess der Rat schliesslich noch ein schwimmendes Fasshaus auf der Aare errichten, in dem die mit Schiffen herantransportierten Weinfässer aufgestapelt werden konnten. Für jedes eingelagerte Fass erhielten die Bauherren 5 Pfennige Lagergebühren ausbezahlt. Die Schlüssel zum Fasshaus wurden dem Torwächter an der Untertorbrücke übergeben, der wahrscheinlich auch für den Einzug der Lagergebühren verantwortlich war.[12]

Roland Gerber, 21.07.2018



[1]       Vgl. dazu Jürgen Sydow (Hg.): Städtische Versorgung und Entsorgung im Wandel der Geschichte (Stadt in der Geschichte 8), Sigmaringen 1981.

[2]       Friedrich Emil Welti (Hg.): Die Stadtrechnungen von Bern aus den Jahren 1375-1384, Bern 1896, hier Stadtrechnungen 1379/II, S. 136 und 1382/I, S. 206.

[3]       Bereits um 1469 wurde vom Rat festgelegt, dass die Taglöhne von Maurer- und Steinbrechermeistern, sobald diese auf Dächern sowie in Backöfen, Ehgräben oder anderen unsauberen Orten arbeiteten, von gewöhnlich 6 auf 7 Schillinge respektive mit Verköstigung von 4 auf 5 Schillinge erhöht werden sollten. Der Winterlohn war wegen den kürzeren Arbeitszeiten um 1 ß niedriger; Hans Morgenthaler: Die Gesellschaft zum Affen in Bern, Bern 1937, S. 78f.

[4]       1 Mütt wurde in Bern auf 12 Mäss und 48 Immi gerechnet, wobei 1 Mütt ungefähr 14 Litern entsprach; Robert Tuor: Mass und Gewicht im Alten Bern (inkl. Waadt, Aargau und Jura), Bern/Stuttgart 1977, S. 63-75.

[5]       Bauamtsurbar I, Stadtarchiv Bern, SAB_A_1_34, fol. 18v-22r (gedruckt in SSRQ Bern Stadt IX/1, S. 43f.); sowie Hermann Rennefahrt: Aus dem alten Bauamts-Urbar der Stadt Bern, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 26 (1964), S. 93-106, hier 102f.

[6]       Hans Morgenthaler: Bilder aus der älteren Geschichte der Stadt Bern, Bern 1935 (2. Auflage), S. 78.

[7]       SSRQ Bern Stadt I/2, Nr. 198, S. 82f. (zweiter Absatz); sowie SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 80, S. 69 und Nr. 112, S. 305.

[8]       SSRQ Bern I/2, Nr. 119, S. 54; sowie SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 32, S. 45f.

[9]       Paul Hofer: Bauvorschriften im Alten Bern und die vier Sandsteinbrüche Berns, in: Fundplätze-Bauplätze, Basel/Stuttgart 1970, S. 70-79, hier 72f. Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts wurden die wichtigsten Gassenabschnitte in Bern mit einer Strassenpflästerung versehen.

[10]     Die Stadthirten auf den beiden Stadtallmenden erhielten von 1532 bis 1538 je 8 Mütt und seit 1545 sogar 10 Mütt Roggen aus dem Bauherrenkornhaus an ihre jährlichen Naturallöhne ausgehändigt; Bauamtsrechnungen 1532-1550, Staatsarchiv Bern, B X 40. Zusätzliche Lohngelder von jährlich je 7 Pfund bezogen sie seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ausserdem vom Säckelmeister; Friedrich Emil Welti (Hg.): Die Stadtrechnungen von Bern aus den Jahren 1430-1452, Bern 1904; sowie Säckelmeisterrechnungen 1534-1540, Staatsarchiv Bern, B VII 455 und 456.

[11]     SSRQ Bern Stadt X, Nr. 29a, S. 49f. (4. September 1530).

[12]     Bauamtsurbar I, Stadtarchiv Bern, SAB_A_1_34, fol. 84v.

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