Navigieren auf Stadt Bern

Benutzerspezifische Werkzeuge

Ratsämter und Behörden

Die bernische Stadtverwaltung zeichnete sich durch Dezentralisierung und eine Vielzahl von Ämtern und Behörden in Stadt und Landschaft aus.

Die Verfassungsreform von 1294 (Verfassungsreform von 1294) schuf die rechtlichen und personellen Voraussetzungen, damit in Bern vergleichbar mit anderen spätmittelalterlichen Städten im Reich eine zunehmend differenzierte Stadtverwaltung entstehen konnte.[1] Zentrale Aufgaben waren die Aufsicht über den kommunalen Finanzhaushalt, der Schutz der Stadtbevölkerung vor militärischen Angriffen und Bränden sowie die Durchsetzung der ratsherrlichen Gebotsgewalt in der Stadt und seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert auch in der benachbarten Landschaft. Das wachsende Bedürfnis nach Reglementierung sowie das Bestreben des Rats, weite Lebensbereiche in der Stadt zu kontrollieren, führten zu einem Anwachsen der Verwaltungsaufgaben sowie zur Ausbildung eines spezialisierten städtischen Verwaltungsschriftguts (Stadtschreiber und Kanzlei).[2] Bis zum Ende des Mittelalters wurden die Amtstätigkeit einzelner Behörden zudem aus der Abhängigkeit der jeweiligen Amtsinhaber gelöst und weitgehend institutionalisiert. Die offenen, anfänglich noch stark personenbezogenen Ratskommissionen entwickelten sich zu strukturierten, festbesoldeten Ämtern, deren Finanzbedarf infolge der wachsenden Anforderungen an die Verwaltung stetig anstieg. Auch die Zahl städtischer Ämter und Behörden vergrösserte sich bis zum Ende des Mittelalters ständig. Während die Goldene Handfeste (Goldene Handfeste) in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts neben Schultheiss und Rat (Schultheiss und Rat) nur lüppriester, schulmeister, sigristen und weibel als von der Stadt eingesetzte Amtsleute bezeichnet, vermehrten sich allein die bernischen Verwaltungssitze auf dem Land bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts auf über 50 Ämter und Vogteien (Städtische Verwaltungsorganisation auf dem Land).[3]

Eine verstärkte Institutionalisierung der wichtigen Ratsämter lässt sich am Ende des 14. Jahrhunderts beobachten. In dieser Zeit führte die wachsende Verschuldung des Stadthaushalts wiederholt zu Spannungen innerhalb der Bürgerschaft, was wiederum eine Differenzierung der Aufgaben von Schultheiss und Rat nach sich zog. Während in überlieferten Urkunden zwischen 1294 und 1375 bei wichtigen Geschäften immer der schultheiz, der rat und die zweihundert der stat von Berne (Rat der Zweihundert) als oberste politische Entscheidungsträger der Bürger in Erscheinung treten, werden seit 1375 der schultheis, die rete, die heimlicher und die venre als spezielle Führungsgruppe innerhalb des Kleinen Rats genannt. Zu dieser exklusiven Führungsgruppe gehörte seit der Mitte des 14. Jahrhunderts auch der Säckelmeister (Säckelmeister). Dieser übte zusammen mit Schultheiss und Vennern (Venner) die Oberaufsicht über den gesamten Finanzhaushalt in der Stadt und Landschaft Bern aus. Daneben etablierten sich im Verlauf des 14. Jahrhunderts zahlreiche weitere ursprünglich rein städtische Ämter wie Bauherren (Bauherren), Ungeldner, Böspfenniger, Tellherren, Zoll- und Geleitsherren, deren Zuständigkeiten sich mit dem Erwerb der ersten Gerichtsherrschaften auf dem Land seit 1324 auch auf die Landschaft ausgedehnten. Die Verwaltung der ländlichen Gerichtsherrschaften übernahmen die aus dem Rat der Zweihundert ernannten Landvögte und Tschachtlane (Landvögte und Tschachtlane).[4]

Eine wachsende Zahl von Amtsleuten verlangt nach neuen Einkünften

Um den ständig wachsenden Verwaltungsaufwand überhaupt finanzieren zu können, war der Rat gezwungen, den ordentlichen Stadthaushalt mit immer neuen Einkünften auszustatten und die Erträge bereits bestehender Einnahmenquellen zu erweitern.[5] Der kommunale Finanzhaushalt Berns zeichnete sich im Unterschied zu anderen spätmittelalterlichen Städten im Reich durch eine starke Dezentralisierung aus. Fast jede Einnahmequelle besass ihre eigene Behörde mit eigener Rechnungs- und Buchführung. Anders als etwa in Basel, Hamburg oder Nürnberg, deren Finanzhaushalte bis zum Ende des 15. Jahrhunderts weitgehend zentralisiert und unter die Kontrolle einiger weniger, meist im Fernhandel tätiger Ratsherren gestellt wurden, blieb der bernische Haushalt ähnlich wie in Strassburg und Konstanz auf eine Vielzahl von Behörden verteilt.[6] In Bern dürfte jedoch weniger das Streben der Zünfte nach politischer Mitsprache (Politische Bedeutung der Zünfte) als vielmehr die Verwaltung des umfangreichen Territoriums (Entstehung des städtischen Territoriums) zu einer verstärkten Dezentralisierung der kommunalen Verwaltungsorganisation geführt haben. Schultheiss und Rat zeigten sich seit dem 15. Jahrhundert zudem darum bemüht, die wachsende Zahl kommunaler Ämter und Vogteien durch die Festschreibung von Aufgaben und Pflichten der Amtsleute zu institutionalisieren und mit zweckbezogenen Einkünften auszustatten. Die Verwaltungstätigkeit wurde dadurch auch für weniger vermögende Ratsmitglieder attraktiv.[7] Seit dem 16. Jahrhundert entwickelte sich der Staatsdienst schliesslich zu einer wichtigen Einnahmequelle für die Bürger, während die Bedeutung von Handel und Gewerbe zurückging.[8]

Roland Gerber, 17.07.2018



[1]    Roland Gerber: Öffentliches Bauen im mittelalterlichen Bern. Verwaltungs- und finanzgeschichtliche Untersuchung über das Bauherrenamt der Stadt Bern 1300 bis 1550 (Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 77), Bern 1994, S. 15f.; Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988, S. 139-146; sowie für Nürnberg Gerhard Pfeiffer (Hg.): Nürnberg. Geschichte einer europäischen Stadt, München 1971, S. 36-38.

[2]    Ernst Pitz: Schrift- und Aktenwesen der städtischen Verwaltung im Spätmittelalter. Köln - Nürnberg - Lübeck. Ein Beitrag zur vergleichenden Städteforschung und zur spätmittelalterlichen Aktenkunde (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 45), Köln 1959; Hans Patze: Neue Typen des Geschäftsschriftgutes im 14. Jahrhundert, in: Der Territorialstaat im 14. Jahrhundert, Bd. 1, hg. von Hans Patze (Vorträge und Forschungen 13), Sigmaringen 1970, S. 9-64; sowie Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988, S. 166-170.

[3]    SSRQ Bern I/1, Artikel 7, S. 6; sowie François de Capitani: Adel, Bürger und Zünfte im Bern des 15. Jahrhunderts (Schriften der Berner Burgerbibliothek 16), Bern 1982, S. 75.

[4]    Roland Gerber: Aspekte der Eigenfinanzierung. Der Berner Bauhaushalt im späten Mittelalter, in: Staatsfinanzierung und Sozialkonflikte (14.-20. Jahrhundert), hg. von Sébastien Guex, Martin Körner u.a. (Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 12), Zürich 1994, S. 55-58.

[5]    Vgl. dazu auch Erich Maschke und Jürgen Sydow (Hg.): Städtisches Haushalts- und Rechnungswesen (Stadt in der Geschichte 2), Sigmaringen 1977, S. 9-44.

[6]    Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988, S.179-181.

[7]    Ein Beispiel für die ökonomische Aufwertung einer städtischen Verwaltungstätigkeit ist das 1310 geschaffene Bauherrenamt; Roland Gerber: Öffentliches Bauen im mittelalterlichen Bern. Verwaltungs- und finanzgeschichtliche Untersuchung über das Bauherrenamt der Stadt Bern 1300 bis 1550 (Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 77), Bern 1994.

[8]    François de Capitani: Adel, Bürger und Zünfte im Bern des 15. Jahrhunderts (Schriften der Berner Burgerbibliothek 16), Bern 1982, S. 18.

Weitere Informationen.

Fusszeile