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FAQ – häufig gestellte Fragen

Fragen zu den ÖV-Haltestellen

Die Erhöhung der Haltekanten wird schweizweit als Standardlösung für die Anpassung bestehender Haltestellen umgesetzt. Der Grossteil der Schweizer Städte wählt daher ein ähnliches Vorgehen wie die Stadt Bern: Wenn immer möglich wird die Erhöhung der Haltekanten im Rahmen ordentlicher Sanierungs- und Umbauprojekte durchgeführt, und es werden Synergien zu weiteren städtischen Bauvorhaben genutzt. Allerdings präsentiert sich die Situation in den Schweizer Städten unterschiedlich: So beeinflussen etwa die Anzahl der Haltestellen, die Lebens- und Sanierungszyklen der Haltestellen sowie ortsspezifische Vorgaben des Natur-, Heimat- und Denkmalschutzes den Umsetzungshorizont und die Kosten für die hindernisfreie Ausgestaltung der Haltestellen erheblich.

Abklärungen mit anderen Schweizer Städten und mit etablierten Fahrzeugherstellern haben ergeben, dass es aktuell keine BehiG-tauglichen Fahrzeuge auf dem Markt gibt. Für Fahrzeughersteller besteht wenig Anreiz zur Erstellung von Spezialfahrzeugen: Der Schweizer Markt ist zu klein, es bestehen technische Abhängigkeiten von Fahrzeugkomponenten, die nicht durch die Fahrzeughersteller gefertigt werden, und die Perronhöhen der Haltestellen unterscheiden sich von Stadt zu Stadt. Ihren Beitrag zur Hindernisfreiheit leisten die Fahrzeughersteller dadurch, dass sich die Karosserie der heutigen Busse um einige Zentimeter absenken lässt (sog. «Kneeling»). Dies alleine reicht jedoch für einen niveaugleichen Zugang zum Fahrzeug nicht aus. Daher sind bauliche Anpassungen an der Haltestelle unumgänglich.

Die ÖV-Haltestellen müssen gemäss BehiG grundsätzlich so ausgestaltet werden, dass alle Menschen autonom, d.h. ohne die Hilfe einer Zweitperson, ins Fahrzeug gelangen können. Für Menschen mit Rollstuhl oder Rollator ist hierzu ein ebenerdiger Zugang zwischen Perron und ÖV-Fahrzeug nötig. Für Menschen mit Sehbeeinträchtigung soll die Auffindbarkeit des Einstiegsbereichs gewährleistet werden.

Wenn ein autonomer Zugang aufgrund örtlicher oder technischer Gegebenheiten nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand umsetzbar ist, soll ein teilautonomer Zugang zum Fahrzeug (selbstständiger Zugang nur in einem bestimmten Bereich des Fahrzeugs möglich) sichergestellt werden. Wird auch ein teilautonomer Zugang als nicht umsetzbar erachtet, wird die Verschiebung der Haltestelle geprüft. Erst wenn auch eine Verschiebung der Haltestelle als nicht verhältnismässig eingestuft wird, erfolgt der Zugang unter Hilfestellung des Fahrpersonals und mittels kurzfristig angebrachter Rampe. In diesem Fall wird von einem hindernisfreien, aber nicht autonomen (d.h. selbstständigen) Zugang gesprochen.

Die Frage der Verhältnismässigkeit lässt sich nicht anhand fix definierter Richtwerte (z.B. Umbaukosten im Verhältnis zur durchschnittlichen Anzahl der Nutzenden einer Haltestelle) beantworten. Noch vor den wirtschaftlichen Kosten ist für die Beurteilung der Verhältnismässigkeit die Abwägung zwischen den Interessen des BehiG und denjenigen des Natur- und Heimatschutzes zentral. Zudem müssen Einschränkungen aufgrund von Privatbesitz und zur Wahrung der Verkehrssicherheit berücksichtigt werden. Bei jeder Haltestelle wird im Einzelnen geprüft, durch welche Umbauoption (autonomer, teilautonomer oder hindernisfreier Zugang) sich die unterschiedlichen Interessen am besten vereinen lassen. Dabei gibt es Haltestellen, bei welchen der Hindernisfreiheit – aufgrund der geografischen Lage, der Umsteigebeziehungen und der Anzahl Nutzenden – ein höherer Stellenwert beigemessen wird als bei anderen Haltestellen.

Aufgrund der Komplexität des Themas hat die Erarbeitung der notwendigen gesetzlichen Grundlagen, Richtlinien und Normen viel Zeit in Anspruch genommen. Erst als diese Grundlagen zur Verfügung standen, konnte die Stadt Bern mit der Ausarbeitung eines detaillierten Umsetzungskonzepts starten. Der in diesem Rahmen erarbeitete Lösungsvorschlag wird aktuell anhand von ausgewählten Pilothaltestellen getestet. Danach folgt der flächendeckende Rollout. Um die Transportsicherheit jederzeit gewährleisten zu können, kann nur eine begrenzte Anzahl von Haltestellen gleichzeitig umgebaut werden. Zudem sind in den Wintermonaten keine effizienten Tiefbauarbeiten möglich. Daher ist der Abschluss der Arbeiten bis 2023 nicht realistisch. Die Vorgaben der Hindernisfreiheit werden jedoch seit dem Inkrafttreten des BehiG im Jahr 2004 standardmässig in sämtlichen Neu- und Umbauprojekten im öffentlichen Raum berücksichtigt.

Die Erhöhung der Haltekanten zieht weitere spezifische Anpassungen an den bestehenden Haltestellen nach sich. Grosse Kostentreiber sind dabei die Verschiebung von Wartehallen, die durch den Umbau notwendigen Anpassungen an den Werkleitungen und die teilweise grossflächige Veränderung des Strassenraums. Auch die Berücksichtigung weiterer Interessen – beispielsweise die Realisation von Veloumfahrungen – verursacht zusätzliche Kosten. Die Kosten für die Umbauarbeiten sollten immer in Relation zum Mehrwert für die Bevölkerung gestellt werden. So sind die hindernisfreien Haltestellen nicht nur für Menschen mit Behinderung nutzstiftend, sondern für die gesamte Gesellschaft. Im wachsenden Alterssegment 65+ gibt es einen relativ hohen Anteil an Menschen mit Gehbeeinträchtigung. Zudem profitieren auch Menschen mit Kinderwagen oder schwerem Gepäck von ebenerdigen ÖV-Zugängen.

Fragen zu den Lichtsignalanlagen und zum Verkehrsraum

Damit sehbehinderte Personen etwa einen Ampelmasten einer Lichtsignalanlage überhaupt auffinden können, werden Markierungen am Boden angebracht. Um eine grüne Ampel als solche erkennbar zu machen, vermittelt eine vibrierende Platte die Freigabezeit. Zusätzlich zeigt ein ertastbarer Pfeil die Gehrichtung an.

Akustische Signale sind nur bei anspruchsvollen Querungen nötig, insbesondere bei langen Querungsdistanzen oder nicht geradlinig verlaufenden Querungen. Dort hilft das akustische Signal sicherzustellen, dass sehbehinderte Personen das gegenüberliegende Trottoir sicher erreichen.

Für die Anpassung der Lichtsignalanlagen hat der Stadtrat einen Kredit von 5,4 Millionen Franken gesprochen. Insgesamt werden in der Stadt Bern 46 Lichtsignalanlagen barrierefrei aufgerüstet. In den nächsten Jahren werden zudem weitere Anlagen im Rahmen von Sanierungsprojekten ersetzt.

Für Menschen mit Gehbehinderungen und für ältere Menschen stehen die Begeh- und Befahrbarkeit des Untergrunds und die Überbrückung von Höhendifferenzen im Vordergrund. Für Menschen mit Sehbehinderungen, aber auch für Menschen mit kognitiv-psychischen Einschränkungen oder Hörbehinderungen sind eine eindeutige Wegführung sowie die rechtzeitige Erkennbarkeit von Hindernissen zu gewährleisten. Zudem sind für Menschen mit Sehbehinderungen auf Informationen nach dem sogenannten «Zwei-Sinne-Prinzip» angewiesen. Sie werden mit zwei Sinnen gleichzeitig informiert, z.B. visuell und akustisch oder visuell und taktil.

Im Verkehrsraum werden verschiedene Massnahmen zur Gleichstellung umgesetzt. So werden etwa Randsteine bei Strassenquerungen abgesenkt, damit das Befahren mit Rollstühlen und Rollatoren einfacher ist. Die Montagehöhe der Abfalleimer wird niedriger angesetzt, damit sie für Menschen mit Sehbehinderung ertastbar sind. Und taktil-visuelle Leitlinien, Kontrastmarkierungen sowie zusätzliche Traversen bei Geländern und Blenden helfen, Hindernisse frühzeitig zu erkennen.

Für die Umsetzung der Massnahmen zur hindernisfreien Ausgestaltung des Verkehrsraums hat der Stadtrat einen Kredit von 3,6 Millionen Franken genehmigt.

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