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Marie Boehlen

1911-1999, Stadträtin SP, 1972-1976

Wahlfoto von Marie Boehlen
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Wahlfoto: Stadtarchiv Bern

Marie Boehlen wird am 19. Oktober 1911 in Riggisberg geboren. Nach ihrer Patentierung zur Primarlehrerin schliesst sie 1933 die Maturität am Humboldtianum ab. Im darauffolgenden Jahr arbeitet sie für ein halbes Jahr als Deutschlehrerin bei einer Offiziersfamilie in Algier, der Hauptstadt von Algerien.

Zurück in der Schweiz nimmt sie an der Universität Bern ihr juristisches Studium auf und promoviert 1939 zur bernischen Fürsprecherin. Zwischen 1941 und 1945 präsidiert sie den Frauenstimmrechtsverein der Stadt Bern sowie das bernische Aktionskomitee für die Mitarbeit der Frau in der Gemeinde. 1943 wird sie als zweite juristische Sekretärin des Regierungsstatthalters der Stadt Bern angestellt und tritt ein Jahr später der SP bei.

Bald hört sie von Auslandstipendien für die USA, bewirbt sich und erhält eines. Sie kann sich für ein Jahr beurlauben lassen und überquert mit einem ehemaligen Truppentransporter den Atlantik. Während eines Jahrs studiert Marie Boehlen an der Syracuse University im Staat New York. Aus den USA zurück in der Schweiz doktoriert sie in Rechtswissenschaften. Von 1949 bis 1966 leitet sie die juristische Kommission des Bundes Schweizerischer Frauenvereine BSF.

1956 wählt die Stadt Bern Frau Dr. Marie Boehlen zur ersten Jugendanwältin der Stadt Bern. Sie ist die erste Frau der Schweiz, die dieses Amt vollamtlich versieht. Während ihrer fünfzehnjährigen Amtszeit führt sie eine neue Sanktionsmethode und Strafvollzugsnorm ein, die bei der Teilrevision des schweizerischen Strafgesetzbuches 1971 berücksichtigt wird. Von 1966 bis 1974 ist Marie Boehlen die erste Präsidentin der SP-Frauen der Schweiz. 

Marie Boehlen im Ratssaal
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Marie Boehlen im Ratssaal, Bild: Stadtarchiv Bern

Im Jahr ihrer Pensionierung 1971 wird Marie Boehlen als einzige SP-Frau in den Berner Stadtrat gewählt. Sie sagt: «Meine Leidenschaft – die Politik – habe ich erst mit 60 Jahren leben dürfen.» Ihre Karriere als Politikerin führt sie von 1974 bis 1986 als eine der ersten Grossrätinnen des Kantons Bern fort.

In einem Artikel der Weltwoche von 1988 beschreibt Klara Obermüller Marie Boehlen wie folgt: «Die Erfahrungen während des Jus-Studiums, die ständige Zurücksetzung der Frauen und das Fehlen jeglichen Interesses für ihre Belange innerhalb einer patriarchalen Rechtsprechung, die frauenspezifischen Schwierigkeiten im beruflichen Alltag und schliesslich ein längerer Studienaufenthalt in den Vereinigten Staaten haben Marie Boehlen zu dem gemacht, was sie heute ist: eine anspruchsvolle Frau, die weiss, was sie will, mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg hält, auch auf Gefahr hin, sich unbeliebt zu machen, eine Frau, die sich erkämpft, was man ihr freiwillig nicht gibt, und die eigene Wege geht, wenn ihr Instinkt, eine innere Stimme, ihr Verstand oder was auch immer ihr dazu rät.»

Kurz vor ihrem Tod blickt Marie Boehlen im Gespräch mit Franziska Rogger auf ihr Leben zurück: «Ich konnte mich lange nicht voll entwickeln, habe viele Niederlagen eingesteckt. Früher war ich vielen Leuten ein Ärgernis, weil ich für das Frauenstimmrecht kämpfte. Das alles war für mich sehr bitter und hat Spuren hinterlassen.» (Rogger, Kinder, Krieg und Karriere 2016)

Für ihren Beitrag zur Einführung des Frauenstimmrechts und zur Aufnahme des Gleichberechtigungsartikels in die Bundesverfassung sowie für ihre Pionierinnenarbeit im Jugendstrafrecht erhält Marie Boehlen 1985 den Ida-Somazzi-Preis und 1995 den Trudy-Schlatter-Preis. Ihre Biografie schreibt die spätere Stadträtin Liselotte Lüscher (Eine Frau macht Politik. Marie Boehlen 1911–1999, 2009).

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