Rechtliche Informationen
Auf dieser Seite finden Sie Informationen zum Strafgesetz, wie Sie sich vor einer Anzeige beraten lassen können und den Link auf die Broschüre «LGBTI – Meine Rechte».
Sexistische, queerfeindliche und sexualisierte Belästigungen im öffentlichen Raum und im Nachtleben können bei der Polizei angezeigt werden. Das Strafgesetz regelt, welches Verhalten bestraft wird. Die Polizei klärt als erstes ab, ob die gemeldete Tat eine strafbare Handlung (Straftat) darstellt.
Anzeige erstatten
Wenn Sie eine Gewalttat erfahren haben, empfehlen wir Ihnen, mit einer Opferberatungsstelle Kontakt aufzunehmen, bevor Sie bei der Polizei Anzeige erstatten. Dort werden Sie niederschwellig, professionell, kostenlos und vertraulich von Fachpersonen beraten, die auf diese Thematik spezialisiert sind. Sie können sich telefonisch, online oder persönlich beraten lassen – auch anonym. In der Beratung werden Sie darüber informiert, was Ihre Rechte sind und was Sie tun können. Sie entscheiden, wie viel und was Sie erzählen möchten. Die Beratung verpflichtet Sie nicht zu weiteren Schritten wie z.B. Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Es ist völlig okay, nach einer Beratung zu entscheiden, nichts weiter in der Sache unternehmen zu wollen.
Entscheiden Sie sich zu einer Anzeige, kann diese auf jedem Polizeiposten gemacht werden. Neben der eigenen Aussage, die als Beweismittel gilt, können weitere vorhandene Beweismittel der Polizei ausgehändigt werden. Dies können Chatverläufe, Fotos oder Videos oder auch ein Tagebucheintrag sein.
Zu der Einvernahme bei der Polizei haben Sie als betroffene Person, das Recht, eine Vertrauensperson mitzunehmen, damit Sie nicht alleine sind.
Spurensicherung
Haben Sie körperliche Gewalt erlebt? Bei sexuellen Übergriffen mit Körperkontakt, Vergewaltigungen oder bei anderen Formen von körperlicher Gewalt ist eine (rechts-)medizinische Untersuchung zur Spurensicherung, zur Krankheitsprophylaxe oder Notfallverhütung sinnvoll. Kontaktieren Sie das Inselspital Bern so schnell wie möglich. Das Inselspital hat eine spezialisierte Abteilung für medizinische Behandlung und Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt an Frauen, Mädchen und Personen mit Vagina/Vulva ab 14 Jahren. In allen anderen Fällen wenden Sie sich an die allgemeinen Notfalldienste des Inselspitals.
Antragsdelikt oder Offizialdelikt?
Je nach Schweregrad der Gewalt und je nach Art der Beziehung zwischen Tatperson und Opfer ist eine Tat ein Antragsdelikt oder ein Offizialdelikt.
Ein Antragsdelikt wird von den Strafverfolgungsbehörden nur dann untersucht, wenn die betroffene Person bei der Polizei eine Anzeige macht und einen Strafantrag stellt. Antragsdelikte sind z.B. sexuelle Belästigung, Exhibitionismus oder Beschimpfung. Falls es sich nicht um häusliche Gewalt handelt, sind auch Tätlichkeiten und einfache Körperverletzungen Antragsdelikte. Die Frist zur Stellung eines Strafantrags beträgt drei Monate. Die Frist läuft ab dem Tag, ab welchem Sie wissen, wer die Täterschaft ist.
Bei einem Offizialdelikt sind Polizei und Justiz verpflichtet, ein Strafverfahren einzuleiten, sobald sie von einer möglichen Straftat erfahren. Deshalb kann eine solche Anzeige nicht mehr zurückgezogen werden. Beispiele für Offizialdelikte sind sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung. Nicht nur die Betroffenen, sondern auch Drittpersonen wie Freund*innen und Familienangehörige können Anzeige erstatten. Gerade bei Sexualdelikten raten wir davon ab, als Drittperson ohne Einverständnis des Opfers Anzeige zu machen. Wir raten Ihnen, sich auch als Freund*in oder angehörige Person bei einer Opferhilfestelle diesbezüglich beraten zu lassen.
Eine Auswahl von Straftaten gemäss Strafgesetzbuch StGB
Im Folgenden finden Sie eine Auflistung von Straftaten mit Bezug zu queerfeindlicher, sexistischer und sexualisierter Belästigung und Gewalt, die bei der Polizei angezeigt werden können. Das Schweizerische Strafgesetzbuch ist online einsehbar. Wenn Sie unsicher sind, ob Ihr Erlebnis eine Straftat ist und ob Sie überhaupt eine Anzeige machen wollen, kann Ihnen eine Beratungsstelle helfen.
Sexuelle Belästigung (Art. 198 StGB)
«Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt, wer jemanden tätlich oder in grober Weise durch Worte sexuell belästigt, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.»
Pornografie (Art. 197 StGB)
«Wer pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen (…) einer Person unter 16 Jahren anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht (…), wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.»
Ebenso macht sich strafbar, wer jemandem pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen unaufgefordert anbietet. Unter diesen Straftatbestand fällt beispielsweise das unerwünschte Zusenden von Fotos von Genitalien (sogenannte Dickpics).
Unter diesen Straftatbestand fallen noch weitere Straftaten, wie zum Beispiel der Besitz, die Verbreitung und das Zugänglichmachen von illegaler Pornografie.
Sexuelle Nötigung (Art. 189 StGB)
«Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. (...)»
Vergewaltigung (Art. 190 StGB)
«Wer gegen den Willen einer Person den Beischlaf oder eine beischlafsähnliche Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.
Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer beischlafsähnlichen Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.. (…)»
Exhibitionismus (Art. 194 StGB)
«Wer eine exhibitionistische Handlung vornimmt, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bestraft.»
Exhibitionismus heisst, dass sich jemand nackt oder bei der Ausübung sexueller Aktivitäten vor fremden Personen zur Schau stellt.
Diskriminierung und Aufruf zu Hass (Art. 261bis StGB)
«Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft, (…), wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert, (…) wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.»
Drohung (Art. 180 StGB)
«Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (…).»
Beschimpfung (Art. 177 StGB)
«Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.»
«Was gilt? LGBTI – meine Rechte»
In der Broschüre «Was gilt? LGBTI – meine Rechte» (PDF, 6.9 MB) finden Sie weiterführende Informationen zum Umgang mit Gewalt und Diskriminierung gegenüber queeren Menschen.
Informationen der Kantonspolizei Bern zu Hassdelikten (Hate Crimes)
Die Kantonspolizei Bern informiert auf ihrer Website zu Hassdelikten (sogenannte Hate Crimes).
Als Hassdelikte oder auch Hate Crimes werden Straftaten bezeichnet, bei denen Menschen aufgrund einer tatsächlichen oder vermuteten Zugehörigkeit zu gesellschaftlichen Gruppen angegriffen werden. Rassistisch motivierte Hassdelikte oder solche, die sich gegen religiöse Ansichten, die sexuelle Orientierung richten, können unter den Straftatbestand «Diskriminierung und Aufruf zu Hass» (Art. 261 und 261bis StGB) fallen. Hassdelikte können sich aber auch gegen die Geschlechtsidentität, den Geschlechtsausdruck oder beispielsweise Menschen mit Behinderungen richten und andere Straftatbestände beinhalten.
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Rechtliche Informationen (PDF, 45.3 KB) |