Hintergrund
Die Kampagne «Bern schaut hin» baut auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Sexismus und Queerfeindlichkeit im öffentlichen Raum auf. Die Inhalte und Ziele der Kampagne sind strategisch und politisch verankert.
Das Vorhaben, ein Projekt zu sexualisierten Belästigungen im öffentlichen Raum umzusetzen, ist in der Stadt Bern breit abgestützt.
In den Aktionsplänen 2019 – 2022 und 2023 – 2026 zur Gleichstellung von Frauen und Männern und von LGBTIQ-Menschen, im UNICEF-Aktionsplan für eine kinderfreundliche Gemeinde 2021-2024 sowie im Handlungsschwerpunkt «Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Chancengerechtigkeit» der Rahmenstrategie für nachhaltige Entwicklung sind Massnahmen zur Wahrung der persönlichen und sexuellen Integrität im öffentlichen Raum verankert.
Im Oktober 2021 hat der Berner Stadtrat die dringliche interfraktionelle Motion #TextMeWhenYouGetHome mit 61 Ja zu 6 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung als Richtlinie erheblich erklärt. Dadurch hat der Stadtrat das Vorhaben, Präventions- und Sensibilisierungsmassnahmen gegen sexualisierte Gewalt im öffentlichen Raum zu ergreifen, bekräftigt und durch die Forderung, ein niederschwelliges Meldetool einzuführen, weiter konkretisiert.
Verbreitetes Phänomen – grosse Dunkelziffer
Diverse Studien, Umfragen und auch Auswertungen von Meldestellen zeigen, dass sexistische, queerfeindliche und sexuelle Belästigungen im öffentlichen Raum in der Schweiz weit verbreitete Phänomene sind. Betroffen sind übermässig Frauen, Mädchen und queere Menschen. Sexismus, Queerfeindlichkeit und sexualisierte Gewalt kommen in Kombination mit anderen Diskriminierungsformen vor, sie müssen entsprechend intersektional betrachtet werden. Zum Beispiel kann eine Belästigung gleichzeitig rassistisch und queerfeindlich sein oder sowohl auf eine Behinderung als auch auf das Geschlecht abzielen.
Nicht nur körperliche Angriffe und unerwünschte Berührungen sind übergriffige Verhaltensweisen mit negativen Auswirkungen auf betroffene Personen. Auch Anstarren und sexistische oder anzügliche Bemerkungen (Catcalling) werden von Betroffenen als unangenehm und grenzüberschreitend empfunden und verhindern gleichberechtigtes Unterwegssein im öffentlichen Raum der Stadt Bern.
Nur wenige der betroffenen Personen wenden sich an die Polizei oder ein Beratungsangebot. Das bedeutet, dass die Dunkelziffer zu sexistischen, queerfeindlichen und sexualisierten Belästigungen gross ist. (1)
Bern baut auf der Erfahrung anderer Städte auf
Bereits 2019 hat die Stadt Genf die Kampagne «Objectif zéro sexisme dans ma ville» entwickelt, mit dem Ziel, Sexismus im öffentlichen Raum zu reduzieren. Im Jahr 2020 lancierte die Stadt Zürich unter dem Slogan «Zürich schaut hin – gemeinsam gegen Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit» eine Kampagne gegen sexistische, homo- und transfeindliche Belästigungen im öffentlichen Raum. Beide Kampagnen bauen auf Studien zu Nutzung und Sicherheit des öffentlichen Raums auf. (2)
Die Stadt Bern hat die Kampagne «Bern schaut hin» auf der Basis dieser beiden Kampagnen entwickelt. Wir bedanken uns herzlich bei den Städten Genf und Zürich, dass sie uns die geleistete Entwicklungsarbeit zur Verfügung gestellt haben.
Quellen und Links
(1)
Biberstein, Lorenz, Susanne Nef, Dirk Baier, Nora Markwalder (2022). Sexuelle Belästigung in der Schweiz. Bern: Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG, Staatssekretariat für Wirtschaft SECO.
Bütikofer Sarah, Julie Craviolini und Michael Hermann (2021). Unterwegs in Zürich: Wie geht es Ihnen dabei? Befragungsstudie. Zürich: Sotomo.
Golder, Lukas, Cloé Jans, Aaron Venetz, Daniel Bohn, Noah Herzog (2019). Sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt an Frauen sind in der Schweiz verbreitet. Bern: gfs.bern.
Hässler, Tabea und Léïla Eisner (2022). Schweizer LGBTIQ+ Panel – 2022 Abschlussbericht.
Ribeaud, Denis und Michelle Tanja Loher, M. (2022). Entwicklung von Gewalterfahrungen Jugendlicher im Kanton Zürich 1999-2021. Forschungsbericht. Zürich: Jacobs Center for Productive Youth Development, Universität Zürich.
Schutzbach, Franziska (2021). Die Erschöpfung der Frauen: wider die weibliche Verfügbarkeit. München: Droemer.
Steinacher, Dominik, Roman Heggli, Alessandra Widmer und Alecs Recher (2022). Hate Crime Bericht 2022. Bericht über das Monitoring LGBTQ-feindlicher Diskriminierung & Gewalt in der Schweiz 2021. LGBTIQ-Helpline.
(2)
Lieber, Marylène, RébéccaCardell, Caroline Dayer, Julien Debonneville (2020). Genève, une ville égalitaire? Les pratiques des femmes dans les espaces publics. Les pratiques de femmes dans les espaces publiques. Genève: Ville de Genève et Université de Genève.
Stadt Zürich (2021). Projekt gegen sexuelle, sexistische, homo-und transfeindliche Belästigungen und Übergriffe im öffentlichen Raum und im Nachtleben «Zürich schaut hin» – Grundlagenbericht.