Navigieren auf Aktionswoche der Stadt Bern gegen Rassismus

Benutzerspezifische Werkzeuge

Content navigation

Diversitätsbildung ohne Rassismus?! Ein Interview mit Rahel El-Maawi

22. März 2024

Der Lehrplan 21 soll Diversitätsbildung und interkulturelle Verständigung in der Volksschule verankern, und doch kommt dieser «[…] ohne den Begriff Rassismus aus», sagt Rahel El-Maawi. Wie das besser geht, im schriftlichen Interview mit der Expertin für Diversität und Co-Herausgeber*in von «No to racism – Grundlagen für eine rassismuskritische Schulkultur».

Rahel El-Maawi, wie wird in Ihrer Erfahrung Rassismus an Schweizer Schulen reproduziert?
Leider sind es einige Situationen, in denen Kinder mit unreflektierten rassistischen Vorannahmen in Berührung kommen. So z.B. in Lehrmitteln, Liedern, Spielen, der Zusammenstellung der Schulbibliothek etc. Noch immer werden kaum Geschichten erzählt von beispielsweise einem Kind aus einer muslimischen Familie, obwohl es ein so tolles Vorlesebuch wie «Planet Omar» gäbe oder wunderbare Netflix-Serien wie «Raising Dion» oder auch das noch junge Lehrmittel zur Situation von Sinti, Roma und Jenischen in der Schweiz mit Begleitmaterialen für Lehrpersonen.

Eine weitere Problematik: Viele Lehrmittel reproduzieren rassistische Stereotype (vgl. Studie der EKR) und repräsentieren die plurale Gesellschaft nicht. Kindern mit Rassismuserfahrung kommen kaum vor.

In der Schule erleben Kinder noch weitere rassistische Situationen: Die Minimierung von Rassismuserfahrungen bis hin zu einem Nicht-Handeln von Lehrpersonen und weiteren Schulakteur*innen. Das verunsichert die Direktbetroffenen wie auch die anderen Kinder, die darin eine Gleichgültigkeit erkennen und die Ungerechtigkeit als «normal» einschätzen lernen. Das Gegenteil, was Schule eigentlich will und sollte: Chancengleichheit und Gerechtigkeit lehren und einüben. Und dann gibt es noch die strukturellen Diskriminierungen. Dass Kinder mit ausländischen Namen oder aus mehrsprachigen Familien schlechter beurteilt werden und weniger Chancen haben, eine höhere Bildung zu absolvieren. All das nehmen sie irgendwann im Verlaufe der Schulkarriere wahr. Auch das verunsichert, demotiviert und lässt Selbstzweifel hochkommen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass die Schule aktiv über Rassismus spricht, dass die Kinder lernen, dass es das gibt, und nicht sie persönlich schuld sind, sondern wir als Gesellschaft einen Auftrag haben, unsere unbewussten rassistischen Vorannahmen abzulegen. Meiner Meinung nach hat hier auch das Bildungssystem Schweiz einen grossen Auftrag, Instrumente zu entwickeln, dass die Schule ein Ort wird, wo eine gerechte, kompetenzenorientierte Selektion stattfindet. Da gibt es leider noch sehr viel Spielraum.

Deshalb braucht es eine diversitätssensible und rassismuskritische Schulkultur, die sich präventiv Gedanken macht, wie sie eine offene, respektvolle und diskriminierungskritische Kultur entwickeln kann. Das schützt letztlich alle Akteur*innen. Rassifizierte Lehrpersonen und Schüler*innen wissen, dass sie geschützt werden, alle Akteur*innen wissen, wie sie handeln dürfen und auch, dass erwartet wird, dass sie handeln.

Was braucht es, um Kinder mit Rassismuserfahrungen im Schulsystem vor Rassismus zu schützen?

Es braucht dringend Anlaufstellen und Beratung für Direktbetroffene. Vor allem aber braucht es Prävention in Form von Wissen. Lehrpersonen sollten bereits in der Ausbildung und dann auch in den Weiterbildungen ermächtigt werden, Rassismus zu erkennen und rassismuskritisch zu handeln.

Was können Eltern machen, um Rassismus an Schulen entgegenzutreten?

Ich habe erst einmal erlebt, dass sich Eltern bei mir erkundigten, wie sie als Verbündete bei rassistischen Vorfällen in der Schule intervenieren können. Sonst lassen sich immer nur direktbetroffene Eltern beraten.

Wegschauen stärkt den Status quo, aktiv intervenieren stärkt ein solidarisches und gleichberechtigtes Zusammenleben.

Rahel El-Maawi ist Lehrbeauftragte für Soziokultur, Expertin für Diversität und Co-Herausgeber*in von «No to racism – Grundlagen für eine rassismuskritische Schulkultur».  www.el-maawi.ch

Tipps von Rahel El-Maawi
Podcast «Rassismus an Schulen» vom 17. Mai 2023 und eine kuratierte Sammlung von Kinder- und Jugendbüchern auf Instagram, in denen Kids of Color Protagonist*innen sind und die in ähnlichen Kontexten wie hier in der Schweiz handeln: @vor.bilder.buecher  

Weitere Informationen.

Fusszeile