Referat Franziska Teuscher anlässlich Geranium City: «Die Krönung»
Referat von Gemeinderätin Franziska Teuscher, Direktorin für Bildung, Soziales und Sport, anlässlich Geranium City: «Die Krönung» im Kornhaus Bern, 31. Mai 2016©
Es gilt das gesprochene Wort
Werte Anwesende
Ich freue mich, dass ich an diesem Abend zu Ihnen sprechen und der Krönung der neuen Geranien-Königin oder des neuen Geranien-Königs hier im Kornhaus beiwohnen darf. Das ist in der Schweiz, in einem Land ohne Monarchie, zweifellos etwas Besonderes.
Darüber hinaus gibt es zwei weitere Gründe, weswegen mich die Einladung sehr gefreut hat. Als Bildungsdirektorin bin ich dem Kornhaus – nicht nur über den Leistungsvertrag, den wir mit der Kornhausbibliothek haben – sehr verbunden. Eine Bibliothek ist eine Bildungsinstitution mit grosser Ausstrahlung und daher für die Einwohnerinnen und Einwohner, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche, sehr wichtig. Und als Botanikerin bin ich Pflanzen generell verbunden. Seien sie nun in der Natur oder zwischen Buchdeckeln oder in Form von Fotografien zu finden. So wie hier in diesem schönen kleinen Buch «Unser Geranium – Sorten, Botanik, Geschichten». Die Direktorin der Kornhausbibliotheken Bern, Christine Eggenberg, hat übrigens einen sehr interessanten Aufsatz zum «Geranium in der Literatur» geschrieben, den Sie im Buch nachlesen können. Freude macht auch die florale Fotoausstellung von Roland Goy. Goys Arbeit bildet ja die Grundlage für die «Krönung», die heute Abend stattfindet. Der Fotograf hat die schönsten Geranien oder die am schönsten in Szene gesetzten Geranien 2015 mit der Kamera dokumentiert. Entscheiden wird das Los und das ist bei so viel Pracht, wie ich finde, eine salomonische Lösung.
Seit Bern den Startschuss für die Veranstaltungsreihe «Geranium City: Bern feiert seine Blume» gegeben hat, ist viel über das Pelargonium, wie die Geranie korrekt heisst, geschrieben worden. Und dabei konnte man so manch Interessantes und Überraschendes lernen. Ein kurzer Überblick: Die aus Südafrika stammende Wildpflanze hat im 17. Jahrhundert den Weg nach Europa gefunden und zwar im Zuge der Handelstätigkeit der holländischen Ostindien-Kompanie. Der in holländischen Diensten stehende deutsche Schiffsarzt und Botaniker Paul Hermann lässt um 1680 die ersten Geranien nach Europa bringen. Denn in den Bergen am Kap der Guten Hoffnung diente das Pelargonium den Einheimischen als Duft- und Medizinalpflanze. So sollen ihre Wirkstoffe bei Erkältungserkrankungen und Durchfall Wunder wirken und überdies «Schutz vor Gewehrkugeln» bieten. Wenn das keine triftigen Gründe waren, die Blume nach Europa zu bringen, dann muss es die leuchtende rote Farbe gewesen sein, die eine magische Anziehung auf den Botaniker ausübte. Die zähe Berg-Blume überstand die lange Überfahrt übers Meer sodann und zum Glück schadlos.
Obschon das Pelargonium als die Schmuckpflanze für Bauernhöfe schlechthin gilt, war sie ursprünglich eine Stadtblume. «Die Popularisierung der Blume mutet vor allem in der Stadt wie ein Triumphzug an. 1897 lanciert der Verschönerungsverein der Stadt Bern erstmals eine Prämierung blumengeschmückter Fenster in der Altstadt sowie in den Aussenquartieren», war dazu in einem Artikel der «Berner Zeitung» zu lesen.
Es waren tatsächlich die Patrizier, welche die Züchtung von neuen Sorten anregten und Stecklinge als Mitbringsel den Bauernfamilien schenkten. So trat die zähe, genügsame Blume dann ihren Siegeszug auf dem Land an. 1957 fand der erste «Graniummärit» in Bern statt und 1984 wurde Bern zur schönsten Blumenstadt Europas erkoren. Dazu war im «Bund» zu lesen: «Spätestens ab diesem Zeitpunkt weckte das Geranium in gewissen Kreisen gemischte Gefühle. Für viele wurde die Pflanze zum Inbegriff von Spiessbürgertum. Wie man ihr gesinnt war, verriet etwas über die persönliche Weltanschauung. Kurz: Das Geranium wurde politisch.»
Und, dass die Pflanze politisch und erst noch «rot-grün» ist, gefällt mir persönlich natürlich gut und so gesehen passt die «Bünzliblume», wie sie von ihren Gegnern und Gegnerinnen genannt wird, auch prima zu Bern. Apropos Politik: Das Alpine Museum gliedert seine Ausstellung «Biwak#16: Out of Africa – Wie das Geranium in die Schweiz kam» in vier Teile. Diese heissen «eingewandert, eingebürgert, verschweizert, globalisiert». Ich finde eher, dass das Geranium «entführt und annektiert», aber dabei zum Glück nicht entwurzelt worden ist. Im Gegenteil: Die Pflanze konnte sich auch in Europa entfalten und kam vielgestaltig und in immer neuen Züchtungen zum Erblühen.
Nun wünsche ich Ihnen einen schönen Abend und weiterhin viel Freude mit der weitgereisten Wildblume – mit Ihren Geranien.
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«Geranienkönigin», Referat Franziska Teuscher, 31.05.2016 (PDF, 79.0 KB) |