Navigieren auf Stadt Bern

Benutzerspezifische Werkzeuge

Content navigation

Referat Franziska Teuscher anlässlich des «Medien-Zmorge zur Nationalen Aktionswoche für Kinder von suchtkranken Eltern»

12. Februar 2019

Referat von Gemeinderätin Franziska Teuscher, Direktorin für Bildung, Soziales und Sport, anlässlich des «Medien-Zmorge zur Nationalen Aktionswoche für Kinder von suchtkranken Eltern», 12. Februar 2019©

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Anwesende
Sehr geehrter Herr (Iwan) Reinhard (aebi-hus; Schweizerische Stiftung für Suchthilfe)
Lieber Jacob (Huber)

In der Schweiz wachsen schätzungsweise 100'000 Kinder mit einem alkoholkranken Elternteil auf. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl von Kindern, deren Eltern an einer anderen Sucht erkrankt sind. Kinder von Suchtkranken wachsen häufig in einem angespannten, konfliktbeladenen Familienklima auf. Angst, Scham, Schuldgefühle und Unsicherheit sind häufige Folgen. Viele Kinder sind in dieser schwierigen Situation auf sich alleine gestellt. Sie verschweigen ihre Not aus Loyalität zu den Eltern – denn «Sucht und Elternschaft» sind ein Tabu. Mit der erstmals in der Schweiz durchgeführten Aktionswoche für «Kinder von suchtkranken Eltern» soll eine Diskussion zu diesem Thema angestossen werden.

Die Bedeutung dieser Problematik zeigt sich darin, dass Kinder von alkoholabhängigen Eltern im Vergleich zu Kindern aus Familien ohne Alkoholbelastung viele Nachteile haben: So haben Kinder von suchtkranken Eltern ein bis zu 6-mal höheres Risiko, später auch eine Sucht- oder andere psychische Erkrankung zu entwickeln. Sie sind damit die grösste bekannte Risikogruppe für die Entwicklung einer Suchtkrankheit. Zu den möglichen psychischen Erkrankungen gehören Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität, problematisches Sozialverhalten, Angst, Depressionen, Schulprobleme, tiefere Selbstwirksamkeitserwartung, geringerer Selbstwert oder somatische und psychosomatische Probleme.

Als Sozial- und Gesundheitsdirektorin der Stadt Bern ist es mir ein Anliegen, dass diese Kinder nicht alleine gelassen werden. Wir müssen alles tun, damit die Entwicklung der Kinder von suchtkranken Eltern nicht durch das Schicksal ihrer Eltern dominiert wird. Die Kinder sollen die Chance auf eine gute Gesundheit haben.

Eine der grossen Herausforderungen stellt dabei die Erkennung und Unterstützung der gefährdeten Kinder aus suchtbelasteten Familien dar. Das Hauptproblem besteht häufig darin, dass der Zugang zu den Kindern schwierig herzustellen ist. In vielen Fällen kann man die Kinder nur über ihre Eltern erreichen und ist somit auf deren Kooperation angewiesen. Und das erweist sich nicht selten als schwierig. Es scheint, dass Suchtprobleme und Elternschaft ein doppeltes Tabu darstellen: Es ist schon schwierig genug, zu realisieren, dass man die Kontrolle über den Suchtmittelkonsum verloren hat. Sich dann als Mutter oder als Vater einzugestehen, dass man dadurch nicht nur sich selber, sondern auch sein Kind gefährdet, ist meist mit grosser Scham verbunden. Deshalb ist es wichtig, neben der Arbeit mit Eltern und Familien, bei den bestehenden Strukturen im Umfeld der Kinder, das heisst in Kindergarten und Schule, in der Kita, der Spielgruppe usw. anzusetzen. Hier besteht eine Beziehung zwischen den Kindern und den betreuenden Personen, auf die man bauen kann. 

In Bern ist die Frühförderung und Früherkennung ein wichtiges Anliegen. Eine wichtige Rolle spielt dabei unser Frühförderangebot «primano» für Kinder im Vorschulalter. Wir haben «primano» in den letzten Jahren von einem anfänglichen Pilotprojekt im Westen Berns zu einem flächendeckenden Angebot über das gesamte Stadtgebiet ausgebaut. Mit «primano» haben wir ein Förderangebot, das in einem umfassenden Sinn die Verbesserung der Chancengerechtigkeit zum Ziel hat. Mit «primano» haben wir auch ein gutes Netzwerk, um eine mögliche Suchtthematik der Eltern zu erkennen und anzugehen. Bei schulpflichtigen Kindern spielen die Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter eine wichtige Rolle. Sie können Kindern und Jugendlichen, aber auch den Eltern oder Betreuungs- und Lehrpersonen eine wichtige Unterstützung bieten. Sie beraten und informieren bei Problemen und können bei Bedarf an weitere Fachstellen vermitteln. Auch die Mitarbeitenden von Kitas und Tagis spielen hier eine wichtige Rolle. Sie kennen die Kinder gut und können bei Hinweisen auf eine schädigende Suchtsituation in der Familie aktiv werden. Des Weiteren ist auch der Sozialdienst der Stadt bei seinen Klientinnen und Klienten auf diese Thematik sensibilisiert und arbeitet eng mit den entsprechenden Institutionen zusammen. 

In Bern haben wir die Erfahrung gemacht, dass Fachpersonen und Institutionen für das Thema sensibilisiert und geschult sind. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren funktioniert. Aber diese Sensibilisierungsarbeit ist eine Daueraufgabe. Und insofern ist auch der heutige Anlass wichtig und sehr willkommen.

Im Kanton Bern stehen zudem überregionale Angebote zur Verfügung, welche genutzt werden können. Dies sind insbesondere Angebote wie diejenigen der Stiftung Berner Gesundheit oder des Blauen Kreuzes, welche die Kinder- und Jugendpsychologin Renate Bichsel im Anschluss noch detaillierter vorstellen wird. 

Die Aktionswoche «Kinder von suchtkranken Eltern» leistet einen wichtigen Beitrag zur Enttabuisierung. Und sie bietet uns die Chance, das Thema breit zu diskutieren. Damit wollen wir erreichen, dass hin- und nicht weggeschaut wird. Gemeint sind nicht nur die Fachpersonen in den Institutionen und bei den Behörden, sondern auch Familienangehörige, Verwandte, Nachbarn und andere Kontaktpersonen im Umfeld des Kindes. Wo immer möglich soll versucht werden, die bestmögliche Entwicklung der Kinder voranzutreiben und die Wahrnehmung der Eltern als Erziehungsverantwortliche und emotional wichtigste Bezugsperson zu unterstützen.

Weitere Informationen.

Fusszeile