Referat Franziska Teuscher anlässlich der Pestalozzifeier 2016
Referat von Gemeinderätin Franziska Teuscher, Direktorin für Bildung, Soziales und Sport, anlässlich der Pestalozzifeier 2016 vom Freitag, 21. Oktober 2016©
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Jubilarinnen und Jubilare
Sehr geehrte Pensionierte
Sehr geehrte Damen und Herren
Ich freue mich sehr, Sie zur heutigen Pestalozzifeier begrüssen zu dürfen und damit eine langjährige sympathische Tradition weiterzuführen. Die Stadt Bern und der Berufsverband «Bildung Bern» möchte sich mit dieser Feier bei Ihnen für Ihr langjähriges Engagement und Ihre Treue gegenüber der Arbeitgeberin Stadt Bern und dem Kanton ganz herzlich bedanken!
Lassen Sie mich aber zuerst ein paar grundlegende Gedanken zur Bildung formulieren. In den vergangenen Jahren wurde bildungspolitisch viel gestritten um die Frage, ob die Schule Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit oder Bildungsgerechtigkeit gewährleisten soll.
Das ist eine Frage, die mich als Bildungsdirektorin stark beschäftigt. Kann und soll die Schule Chancengleichheit gewährleisten? Was würde das überhaupt bedeuten? Oder müssten wir eher von Chancengerechtigkeit sprechen, denn nicht alle Schülerinnen und Schüler haben die gleichen Voraussetzungen, können und sollen nicht mit gleichen Ellen gemessen werden. Sicher ist, dass die Schule nicht diskriminieren darf, sie muss Schülerinnen und Schüler davor schützen. Die Schule hat also die Aufgabe, Ungerechtigkeiten zu überwinden.
Beispiel: Wenn Studien zeigen, dass von 100 Arbeiterkindern nur 20 den Zugang zur Hochschule schaffen, von Akademikerkindern aber 90, dann muss uns das alarmieren.
Oder auch das Problem, dass die Erwartungen der Schule, aber auch der Eltern an Kinder mit einem Migrationshintergrund generell tiefer sind als an Schweizer Kinder, ist das bereits eine Form von Ungerechtigkeit und Diskriminierung?
Mit solchen Fragen hat sich auch die Städteinitiative Bildung intensiv auseinandergesetzt. Entstanden ist dazu ein Positionspapier zu Bildungsgerechtigkeit. Bewusst hat man sich entschieden, den Fokus auf die Bildungsgerechtigkeit und nicht auf die Chancengleichheit oder die Chancengerechtigkeit zu setzen.
Ein wesentliches Fazit dieser Auseinandersetzung ist die Erkenntnis, dass die Schule wohl nicht Gerechtigkeit herstellen kann. Sie muss aber alles daran setzen, jegliche Formen von Ungerechtigkeit zu vermeiden.
Gerechtigkeit in der Volksschule ist nicht nur eine Haltungsfrage. Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf Gerechtigkeit. Denn Diskriminierungsschutz ist eine rechtsstaatliche Aufgabe. Es gibt also mit anderen Worten ein Recht auf Gerechtigkeit in der öffentlichen Schule, das wir durch das Vermeiden von Ungerechtigkeit anstreben müssen.
Deshalb soll sich die Volksschule an drei Prinzipien der Bildungsgerechtigkeit orientieren:
- Prinzip der Grundbildung für alle: Alle Schülerinnen und Schüler sollen Grundkompetenzen erreichen.
- Diskriminierungsverbot: Ungleiche Bildungsresultate sind dann legitim, wenn der Zugang zu weiterführenden Bildungsangeboten nicht durch finanzielle Hürden oder aufgrund der sozialen oder kulturellen Herkunft beeinträchtigt wird.
- Unterschiedsprinzip: Sofern das Prinzip der Grundbildung und das Diskriminierungsverbot berücksichtigt werden, sind Bildungsungleichheiten dann legitim, wenn sie sich nicht zum Nachteil anderer auswirken kann.
Ich kann mich mit dieser Ausrichtung der Zielsetzungen für die Schule gut identifizieren und leiste gerne einen Beitrag dazu, für die Bildungsgerechtigkeit und die Vermeidung von Ungerechtigkeit beizusteuern.
Aber nun zu Ihnen und unserem Festanlass
Vor 25, 40 oder gar mehr Jahren haben Sie als junge Lehrerinnen und Lehrer Ihre Ausbildung am Kindergartenseminar, am Seminar, am Sekundarlehramt, an der Uni oder an der Pädagogischen Hochschule abgeschlossen und sind in den Schuldienst eingetreten. Sie haben seither Scharen von Kindern und Jugendlichen auf bestimmten Abschnitten ihrer schulischen Laufbahn begleitet. Sie haben sich damals für einen der anspruchsvollsten, vielfältigsten und wichtigsten Berufe überhaupt entschieden. Sie haben ganz direkt an der Basis eine hohe Mitverantwortung dafür übernommen, wie sich Kinder und Jugendliche entwickeln. Sie unterstützen, fördern, ermutigen und begleiten Kinder in die Welt des Lernens, Wissens, Denkens und Handelns. Damit gestalten Sie direkt und indirekt deren und unsere Zukunft mit. Und dies seit vielen Jahren.
Damit wir uns die jeweiligen Zeitspannen etwas plastischer vorstellen können, werfen wir doch kurz einen Blick zurück:
Was geschah vor 40 Jahren, also 1976?
- Asien beschäftigte die Weltpresse massiv. Da war am 2. Juli die offizielle Wiedervereinigung Vietnams zu melden. Im September starb in China Mao Zedong, der diktatorische, kommunistische Staatschef. Er war durch die von ihm initiierte Kulturevolution nicht nur für die wirtschaftliche Schädigung des Landes, für die Zerstörung wertvollen Kulturerbes, sondern auch für den Tod von Millionen Chinesen verantwortlich. Mit seinem Tod war die Kulturrevolution offiziell zu Ende. Nach geschätzten Angaben gaben dem Toten etwa 1,5 Millionen Menschen das letzte Geleit.
- In der BRD fanden die Wahlen zum Deutschen Bundestag statt, bei denen Helmut Schmidt als Sieger gegen Helmut Kohl als Bundeskanzler hervorging.
Und was geschah vor 25 Jahren, also 1991?
- Im Jahr 1991 bestimmten insbesondere der Zweite Golfkrieg, die Kriege im ehemaligen Jugoslawien und die endgültige Auflösung der Sowjetunion das Weltgeschehen. Nach dem Augustputsch in Moskau erklärten zahlreiche Unionsrepubliken ihre Unabhängigkeit.
Und heute? Als Arbeitgeberin bin ich stolz, Sie zu meinen treuen Mitarbeitenden zählen zu dürfen. Ich will eine gute Volksschule, in der die Schülerinnen und Schüler gut lernen können und gerne lernen und Sie als Lehrpersonen gute Arbeitsbedingen haben, zeitgemässe Infrastrukturen erhalten und motiviert lehren können.
Ich weiss aber auch, dass hier Lehrpersonen der Sekundarstufe II sitzen. Auch wenn ich da nicht direkt Einfluss nehmen kann, möchte ich auch Ihnen ganz herzlich für Ihre Treue im Schulbereich danken. Es ist nicht selbstverständlich – besonders auch in der heutigen Zeit –, dass jemand so lange seinem Arbeitgeber die Treue hält und seinen Beruf so lange ausübt. Das zeugt sicher davon, dass Sie sich mit Ihrem Beruf identifizieren und ihn gerne haben.
Ich danke Ihnen sehr für Ihren täglichen Einsatz in der Schule und hoffe, dass Sie sich auch nach 25 oder 40 Jahren immer noch freuen, vor Ihre Klasse zu treten und mit den Schülerinnen und Schülern zu arbeiten. Die Kinder sind unsere Zukunft, und Sie die Wegbereiter und Coaches dieser jugendlichen Gipfelstürmer und Gipfelstürmerinnen. Und all jenen unter Ihnen, die pensioniert werden, wünsche ich alles Gute für Ihren neuen Lebensabschnitt, der Ihnen hoffentlich viele neue und ungewohnte Erfahrungen bringen wird. Machen Sie es gut und ganz herzlichen Dank.
Würdigung von Rolf Rüfenacht als abtretenden Präsident der Regionalkonferenz von Bildung Bern
Du kamst im Jahr 2002 zur Regionalkonferenz von «Bildung Bern», damals noch «LEBE». Giuliano Picciati war damals Präsident. Nach der Pensionierung von Hermann Sterchi (ehemaliger Schulleiter im Pestalozzi) kamst du 2007 ins Büro-Team der Regionalkonferenz und übernahmst im Jahre 2011 das Präsidium. Seit 2013, seit meinem Amtsantritt als BSS-Direktorin arbeiten wir zusammen, treffen uns zwei Mal jährlich zu einem Meinungs- und Gedankenaustausch im Sinn einer Sozialpartnerschaft.
Du hattest als Lehrperson der gibb eine nicht ganz eine einfache Aufgabe als Präsident, da die meisten Lehrpersonen von «Bildung Bern» der Volksschule entstammen und auch die gewerkschaftlichen Themen in aller Regel die Volksschule betreffen.
Besonders engagiert hast Du Dich in der Pensionskasse der Lehrpersonen, der BLVK. (Wichtiges gewerkschaftliches Anliegen). Am 24. April 2008 wurdest Du zum Präsidenten der BLVK Wahlkreisversammlung Bern Stadt gewählt und hast diese bis ins Jahr 2011 präsidiert. Du warst in dieser Rolle ein hartnäckiger Kämpfer für angemessene und verlässliche Renten.
Wichtige Themen in Deinen Jahren als Präsident waren:
- Gleichstellung BLVK und BPK (Bernische Pensionskasse für das Kantonspersonal)
- Projekt FUTURA (Umstellung vom Leistungsprimat ins Beitragsprimat)
- Amtszeitbeschränkung der Mitglieder der Verwaltungskommission
Du hast Dich schon seit jeher für die gewerkschaftlichen Anliegen engagiert. 1987 übernahmst Du das Amt des Kassiers im Gewerbelehrerverein (später Fraktion Berufsbildung) und hast dieses Amt 18 Jahre lang ausgeübt.
Ich danke Dir an dieser Stelle ganz herzlich für Dein grosses Engagement und die gute Zusammenarbeit, die wir pflegen konnten.
Ich hoffe, Du hast nun wieder etwas mehr Zeit für Dich selber und für Deinen Beruf, den Du ja weiterhin ausüben wirst. Ich wünsche Dir alles Gute!
Vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit!
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«Pestalozzifeier 2016», Referat Franziska Teuscher, 21.10.2016 (PDF, 120.3 KB) |