Grusswort anlässlich der Auftaktveranstaltung zur Fotoausstellung über die zivile Seenotrettung
Grusswort von Gemeinderätin Franziska Teuscher, Direktorin für Bildung, Soziales und Sport, anlässlich der Auftaktveranstaltung zur Fotoausstellung über die zivile Seenotrettung vom Dienstag, 27. Februar 2024.
(Es gilt das gesprochene Wort)
Liebe Titi Bangoura
Liebe Vertreter*innen der zivilen Seenotrettungsorganisation Sea-Eye
Liebe Engagierte in der Seenotrettung und in der Solidarität mit Flüchtlingen
Liebe Stadtratspräsidentin Valentina Achermann
Lieber Stadtrat David Böhner
Ich freue mich sehr, dass die Stadt Bern heute der zivilen Seenotrettungsorganisation Sea-Eye 70'000 Franken übergeben kann – als Zeichen dafür, dass wir als Hauptstadt eines Landes, das sich nicht am Meer befindet, über die Stadt- und Landesgrenzen hinwegblicken und zumindest gedanklich Sicht aufs Mittelmeer nehmen. Ich danke dem Stadtrat für sein Engagement für diesen konkreten Schritt und für seine Vorstösse im Sinne einer menschlicheren Flüchtlings- und Asylpolitik.
Am 31. Januar hat sich die Stadt Bern in der Folge eines Postulats aus dem Stadtrat per Gemeinderatsbeschluss zum «Sicheren Hafen» erklärt, als erste Stadt bzw. Gemeinde in der Schweiz. Es ist sowohl dem Stadtrat als auch dem Gemeinderat – also dem Parlament und der Regierung der Stadt Bern – ein grosses Anliegen, dass wir uns für eine menschliche Flüchtlingspolitik einsetzen und geflüchtete Menschen willkommen heissen. Die Stadt Bern ist bereit, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Bereits vor der Erklärung zum «Sicheren Hafen» hat sich Bern für die Allianz «Städte und Gemeinden für die Aufnahme von Flüchtlingen» engagiert und sich mehrfach darum bemüht, mehr asylsuchende Personen aufzunehmen, als sie müsste, so auch nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos 2020 und nach dem Schiffbruch eines Flüchtlingsboots vor Peloponnes 2023, bei dem hunderte Menschen ihr Leben verloren. Diese Bemühungen stiessen bei Kanton und Bund nicht auf offene Ohren. In der Schweiz ist der Bund für die direkte Aufnahme von Flüchtlingen zuständig. Der Stadt Bern fehlen die nötigen Kompetenzen in der Flüchtlings- und Asylpolitik.
Dennoch sind die Erklärung zum «Sicheren Hafen» und die Spende für Sea-Eye mehr als nur Symbolpolitik und ein Zeichen der Solidarität. Beides ist Teil des städtischen Engagements für eine menschliche und aktive Asyl- und Flüchtlingspolitik. Zu diesem Engagement gehört, dass die Stadt Strukturen schafft, um Flüchtlinge zu integrieren. Ihr ist es dabei wichtig, dass die Flüchtlinge sich in ihrem Quartier eingliedern können. Sie sollen mitten unter uns leben und mit uns ihre Zeit verbringen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Verein Ziegler-Freiwillige. Er versteht sich als Bindeglied zwischen der Bevölkerung rund um das Bundesasylzentrum im ehemaligen Zieglerspital und geflüchteten Menschen. Bei der Flüchtlingsunterkunft im Viererfeld haben wir uns dafür engagiert, dass die Vernetzung mit dem Quartier und gemeinsame Aktivitäten von Quartierbevölkerung und Bewohnenden der Unterkunft aktiv koordiniert wird. Zudem sorgen wir dafür, dass auch Personen im Asylverfahren mit Bleibeperspektive bereits an Sprachkursen teilnehmen können, obwohl die Integrationsförderung erst ab einem geklärten Aufenthalt vorgesehen ist.
Und zum Engagement der Stadt gehört auch, dass sie sich gegen unterirdische Unterkünfte wehrt, die keine würdige Wohnform darstellen.
Wir sind betroffen über die grosse Not und die schrecklichen Zustände in Flüchtlingszentren im Mittelmeerraum, über die hohe Anzahl an Menschen, die bei der Überquerung des Mittelmeers jedes Jahr ihr Leben verlieren – aber auch über eine europäische Flüchtlingspolitik der Abschreckung, der Abschottung und des Wegschauens. In einer Welt der zunehmenden kriegerischen Auseinandersetzungen und der immer drastischer werdenden Auswirkungen des Klimawandels kann Abschottung keine Lösung sein. Wir müssen konstruktive, menschliche und würdige Lösungen finden, wie wir den Fluchtbewegungen begegnen und wie wir Flüchtende aufnehmen können. In diesem Sinne wünsche ich allen Politiker*innen, Gesetzgeber*innen und Entscheidungsträger*innen freie Sicht aufs Mittelmeer.
Die Organisation Sea-Eye blickt nicht nur aufs Mittelmeer, sondern gibt eine überzeugende Antwort auf die menschenverachtende Flüchtlingspolitik der EU. Sie rettet Menschen, die sich mangels Alternativen über das Meer wagen und in Seenot geraten. Ich möchte der Organisation und all ihren Mitkämpfer*innen für ihren Einsatz von Herzen danken und ihr mit dieser symbolischen Bestätigung versichern, dass sie auf die Stadt Bern und ihre Unterstützung als «Sicheren Hafen» zählen kann.
Vielen Dank.