Zum 60. Geburtstag von Kuno Lauener, Züri West
Happy Birthday Kuno!
Züri West kenne ich seit ihrem ersten Tag. Im Februar 1984 stand ich mit Sam Mumenthaler (dem ersten Schlagzeuger) am Anfang unseres Jusstudiums. An einem Montagmorgen (nicht früh, sondern ender speter) kam Sämu an die Uni und verkündete mir: «Du, mir hei es nöis Bänd (so sagte man damals), Züri West, wie findsch?» Ich fand den Namen brillant und die Band gab von da an der unruhigen Jugend ihren Sound. Da es kaum etablierte Auftrittsmöglichkeiten gab (keine Clubs in Bern damals!), mussten die Konzerte von der Band selber organisiert werden und fanden daher oft in besetzten Häusern statt, wie dem Keller Ohm8 im Mattenhof oder öfters im Zaff an der Villettemattstrasse.
1985 spielten Züri West auf der Migros Tournee, ich arbeitete damals beim Lokalradio ExtraBE und wir übertrugen das denkwürdige Konzert im legendären Kino Splendid, daraus entstand danach die erste Maxi-Single Splendid. Das war aber bereits der zweite Tonträger, zuvor war schon eine Democassette (!) rausgekommen.
Ich war viel mit den Züppis unterwegs, auch bei Auswärtsspielen, wir gingen in der Lorraine baden (Fisch), hingen in der Stadt rum (Hanspeter) oder spielten Carambole (7:7). Kuno gab der Band den Kopf, Küse Fehlmann und Pesche von Siebenthal den unverwechselbaren gitarrenlastigen Groove, Sämu und Pesche Schmid den treibenden Drive. Züri West spielten den Sound Track dieser bewegten Zeit, und waren natürlich auch ein wichtiger Teil davon, indem sie an zahlreichen Happenings und Demos dabei waren, dort immer auch Konzerte gaben, und später dann auch Songs über diese Events schrieben. Flachgleit (nach Point blank von Bruce Springsteen, also Kopfschuss, finaler Todesschuss) handelt vom erzwungenen Abbruch des besetzten Szenelokals Zaff. Hans Dampf von der Besetzung der Dampfzentrale.
Immer, wenn was Wichtiges los war, traten Züri West auf, das musste so sein, who else? Bis 1990 habe ich wohl um die 80 Züri West Konzerte erlebt (vielleicht auch nur 50, jedenfalls sehr, sehr viele). Oft begleitete ich Pi, einen weiteren Studienkollegen, der lange Jahre bei Z.W. am Mischpult das Maximum rausholte. Das war alles noch drei Jahre bevor «i schänke Dir mis Härz» erschien, seit dem wir Züri West mit dem Schweizerischen Mehrheitsgeschmack teilen müssen. Das ist auch die einfache Antwort auf die alles entscheidende Frage des Berner Rocks am Ende des 20. Jahrhunderts: Züri West oder Patent Ochsner?
Musikalisch ist diese Frage ebenso leicht oder schwer zu beantworten wie die Frage «Beatles oder Rolling Stones». Entweder gefallen Dir die Beatles besser oder die Stones (oder beide wie mir: epochal und unverzichtbar bis ins Altersheim). Züri West oder Patent Ochsner: musikalisch gibt's für beide beste Argumente. Aber kulturhistorisch liegen zwischen den Züris und den Ochsners Welten, für die kannst Du nichts dafür, Büne. Der Sound der unvergessen bewegten und daher bis heute wichtigen 80er Jahre in Bern, das war Züri West. Weil Patent Ochsner erst 1990 gegründet wurden und damit nicht nur meine Jugend verpassten, sondern auch viel Geschichte. (Aber ab 1990 machten auch Patent Ochsner alles super und grossartige Musik, die kommt selbstverständlich auch mit ins Altersheim).
Mein Musikwunsch für Kuno am 17. März 2021 daher: Hansdampf, 1987, Album Sport und Musik
Bärn - irgendwenn im Mai uf dr Polizei lütet ds Telefon
Dr Herr Wüeterich vor Wuet usser sich
hett ke Rueh meh uf em Baukon
5 minute schpäter - eis Gezeeter
D'Frou Spanner hett öppis ghört
Irgendwo ar Aare - sie isch sech nid im klare
was es isch - aber es schtört!
3 jungi Polizischte schtarte ihri Chischte
u fahre richtig Marzili
Es isch e schööne Aabe -
si sii müed am Aabe
U kene vo ihne hett Bock uf Krimi -
s'wird warm im Wage
Si löh d'Schibe abe
u jitz ghöre si's ufzmau
Musig tönt u dr Himmu brönnt
überem Gaswärkareau!
Si fahre nöcher häre
Chöi sech nid erkläre
was dert unde genau passiert
2 schtige us - loufe cool zum Huus -
während dä am Schtüür ds Outo parkiert
Chuum sy si dinne
Chunnt dr eint scho z'schpringe
U hockt atemlos ufe Näbesitz
u hueschtet i ds Funkgrät:
Jungs - mir sii e Schtung z'schpät
D'Dampfzentrale isch bsetzt!
I däm Song hie schneits scho wieder
Aber dasmau schneits Konfetti!
U d'Wäut schteit uf em Chopf u dräit sech überem Parkett
1000 Bärner dräie mit, u i schtah irgendwo ir Mitti
U cha nid gloube was i gseh
Wüus das z'Bärn gar nid git
- aber hütt
Paar Minute druuf fahrt Verschterchig uf
2-3 Schtreiffewäge
Dr Schweingrueber geit zur Bar un'es paar
anderi warte bir Schtäge
Ar Bar fragt är wär isch dr Chef vo däm Verein
Üse Chef heisst Hans-Dampf u dr Hansdampf isch hie daheim
Z'Bärn diskutiert me gärn u grad über Kultur u de chöme si drhär
Politiker u d'Vereine u mängisch gseht me sogar dr Kultursekretär
Aber wo sy di Lüt wes einisch Action git -
de sii si irgendwo deheim
We z'Bärn irgendöpper Kultur macht
chunnt meischtens nur d'Polizei!
Der Song erinnert mich natürlich an das denkwürdige Jahr 1987, als nacheinander Dampfzentrale und Reitschule besetzt wurden und über die Jahre zu wichtigen und unverzichtbaren Stützen des Berner Szene- und Kulturlebens wurden. Der Song hat für mich heute aber eine zweite Bedeutung erhalten, indem ich als Stadtpräsident natürlich sozusagen «auf der anderen Seite» stehe, und auf solche Ereignisse angemessen reagieren muss.
Den (2019 verstorbenen) Kultursekretär Peter J. Betts, der damals für alles verantwortlich gemacht wurde, was kulturell in Bern nicht lief, habe ich später kennen und schätzen gelernt. An der Beerdigung des damaligen Stadtpräsidenten Werner Bircher ist mir schlagartig aufgegangen, wie sehr der an sich feinfühlige Werner Bircher und vermutlich auch Marco Albisetti von der Wucht und der elementaren Gewalt der 80er Jugend überrollt und überfordert wurden. Heute bin ich selber für die Kulturpolitik verantwortlich, die von Kultursekretär Peter Betts Nach-nach-nachfolgerin Franziska Burkhardt geführt wird und sich seither natürlich bedeutend entwickelt hat, keineswegs nur betragsmässig.
Der Song Hansdampf zeigt mir aber auch, wie sehr wir seit 1987 älter geworden sind, das gilt ja auch für Kuno, der neben Küse als einziger seit Beginn bei Züri West dabei war. So wurden Familienthemen wichtiger (Göteborg), der Fussball von YB besser (hüt hei si wieder mal gwunne), Beziehungen bleiben wichtig und die Sehnsucht nach Liebe dominant. Irgendwann – das wurde uns dieser Tage schlagartig bewusst – werden uns auch die Gesundheitsthemen einholen. Das wissen wir schon lange, denn die kleinen Bresten nehmen bei uns allen zu (Pi hat schon ein künstliches Gelenk!). Aber so wie bei Dir, Kuno, das hat mich getroffen. MS ist ein hartes Schicksal. MS führt uns den Zerfall unerbittlich vor Augen. MS kann auch sooo schmerzhaft sein. Und MS verstärkt das Bewusstsein ans Unausweichliche. Gute Besserung zu wünschen wäre nur zynisch. Es bleibt nur die Hoffnung, die Hoffnung auf einen milden Verlauf. Aber vielleicht gibt es ja doch noch mal Songs von Züri West übers Älterwerden, über den Verfall und die Vergänglichkeit. Dann gehen wir zusammen ins Altersheim, und hören Springsteen, Lou Reed und Nick Cave.
In dem Sinn gratuliere ich Dir, Kuno, herzlich zum 60. Geburtstag (jesses Gott), danke Dir und der Band für 37 Jahre Züri West und wünsche Dir von ganzem Herzen alles Gute und gute Gesundheit!
Herzlich
Alec von Graffenried, Stadtpräsident
PS: Was Du nicht weisst, Kuno: ich bin ja nicht so eitel, aber von Dir habe ich 1985 ein Kompliment erhalten, das ich seither nie vergessen habe. Für ein Mundartrockfestival im Leuchtersaal des Kursaals hatte ich mich rausgeputzt, und meine schon damals ziemlich normale Frisur vor dem Spiegel etwas gestylt: Koteletten weg, und dann rasiert, auf beiden Seiten ziemlich weit übers Ohr hinauf. Meine Kinder würden heute von einem Vöku sprechen (analog Voku Hila, vorne kurz, hinten lang). Also, im Kursaal im Korridor treffe ich dann mit meiner neuen Rasur Dich, Kuno, und Du hast mir gesagt: hei Alec, geile Cut! Da wusste ich, dass ich vor dem Spiegel alles richtig gemacht hatte.
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Zum 60. Geburtstag von Kuno Lauener, Züri West, 17.03.2021 (PDF, 296.8 KB) |