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11. April 2023 | Gemeinderat, Direktionen

Wandbild Wylergut wird ins Historische Museum verlegt

Ein Wandalphabet im Schulhaus Wylergut enthält Darstellungen von Menschen, die heute als koloniale Stereotypen erkannt werden. Das Siegerprojekt eines städtischen Wettbewerbs sieht deshalb die Verschiebung des Wandbildes in ein Museum vor. Nun kann das Projekt realisiert werden: Das Wandbild geht als Schenkung an das Bernische Historische Museum. Dort wird 2024 eine Ausstellung stattfinden, welche das Werk kontextualisiert und eine öffentliche Debatte ermöglicht. Bald beginnen im Schulhaus die Arbeiten für die Abnahme.

Bild Legende:

Im Schulhaus des Berner Wylergut-Quartiers befindet sich ein historisches Wandalphabet mit Darstellungen von Menschen, die heute als koloniale Stereotypen erkannt werden (s. Kasten). Die Frage nach dem Umgang mit dem Kunstwerk führte 2019 zu heftigen Kontroversen. Im Rahmen eines öffentlichen Wettbewerbs suchte die städtische Kommission für Kunst im öffentlichen Raum deshalb nach Projekten, um das Kunstwerk von 1949 kritisch neu zu verorten und zu schulinternen und öffentlichen Debatten anzuregen. Eine Fachjury gab schliesslich dem Projekt «Das Wandbild muss weg!» von Ashkira Darman, Fatima Moumouni, Vera Ryser, Bernhard Schär und Angela Wittwer den Zuschlag. Das Projekt, dem sich inzwischen auch Izabel Barros und Esther Poppe angeschlossen haben, fordert eine Verschiebung des Werkes in ein Museum und eine Kontextualisierung im Rahmen einer Ausstellung.

Nun steht fest: Die Schenkung des Wandbildes an das Bernische Historische Museum kommt zu Stande. Die Arbeiten zur Verschiebung des Werkes sind angelaufen. Bis Ende Jahr soll das Wandbild fachgerecht abgenommen sein. Franziska Burkhardt, Kulturbeauftragte Stadt Bern und Präsidentin der Kommission für Kunst im öffentlichen Raum, ist erfreut über die erfolgreiche Zusammenarbeit vieler Partnerorganisationen, die zu einem differenzierten Umgang mit diesem heiklen Erbe der Kolonialzeit beitragen. Besonders den Nachkommen der beiden Künstler Eugen Jordi und Emil Zbinden sei zu danken, dass eine kritische Einordnung des Werks im Kontext seiner Zeit möglich wird. «Wir sind als Gesellschaft gefordert, uns an konkreten Beispielen mit der Frage auseinanderzusetzen, wie wir in der Gegenwart mit den Weltbildern der Vergangenheit umgehen wollen», so Burkhardt.

Kritik an kolonialen Denkmustern

Insgesamt hatten sich 27 interdisziplinäre Projektteams am städtischen Wettbewerb beteiligt. Das siegreiche Projekt des Vereins «Das Wandbild muss weg» überzeugte die Jury einstimmig. Die Stadt Bern beteiligt sich mit 55'000 Franken an den Kosten des Projektes, den Rest konnte der Verein bei Stiftungen, der Burgergemeinde Bern, Pro Helvetia und dem Bund einwerben. Die Verschiebung ins Museum sei deshalb notwendig, so Projektleiterin Vera Ryser, weil das Wandbild stereotype Darstellungen nicht-weisser Menschen in eine Reihe mit Tieren, Pflanzen und Gegenständen einordnet. Die Buchstaben N und I üben Fremdbezeichnungen ein, die inzwischen diskreditiert sind. «Das wollen wir Kindern so nicht länger vermittelt sehen», so Ryser. Die Frage, wie rassistische Denkmuster unsere Gesellschaft und Schulmaterialien historisch und bis heute prägen, sei differenziert zu diskutieren: «Das kann ein Museum besser leisten als eine Schule auf Basisstufe.»

Gastausstellung im Historischen Museum

Aus Sicht von Dr. Thomas Pauli-Gabi, Direktor des Bernischen Historischen Museums (BHM), kann das Museum Hand bieten, damit das Werk durch die Aufnahme in die Sammlung als Zeugnis einer gesellschaftlichen Debatte langfristig erhalten bleibt. Gleichzeitig bietet die Überführung ins Museum die Chance, die am Wandbild entzündete Debatte in einem musealen Kontext weiterzuführen. Das BHM hat das Projektteam deshalb als Gastkuratorium eingeladen, das Wandbild in einer Ausstellung mit eigener Autorschaft zu kontextualisieren, welche im April 2024 eröffnet wird. Ziel dieser Kooperation ist, Räume für einen offenen, mehrstimmigen Diskurs über die komplexen Entstehungs- und Wirkungsgeschichten des Wandbildes zu ermöglichen. Das Vermittlungsprogramm soll neue und überraschende Perspektiven aufzeigen. «Das Kunstwerk wird mit der Verschiebung langfristig erhalten und kann als Zeugnis einer Auseinandersetzung dienen, die uns als Gesellschaft weiterbringt», sagt Pauli-Gabi. Dabei stehe der Austausch mit der Wissenschaft, der Gesamtgesellschaft und explizit auch mit von Rassismus betroffenen Personen im Zentrum.

Verschiebung durch Fachleute

Die Abnahme wird mit Unterstützung des Fachbereichs Konservierung und Restaurierung der Hochschule der Künste Bern (HKB) und durch einen Restaurator und eine Berner Hochschul-Abgängerin vorgenommen. Zur Anwendung kommt dabei die möglichst substanzerhaltende Abnahmetechnik, das sogenannte Staccoverfahren. Dabei wird die Oberfläche der Malschicht zuvor mit einer Facing-Schicht geschützt, mit einer aufgedoppelten Leichtträgerplatte verstärkt und dann zwischen Fein- und Grobputzschicht mit einem Sägedraht hinterschnitten. Nach der Abnahme wird auf der Rückseite für die Stabilität der Bildfelder ein neues Trägermaterial appliziert. Die Abnahme soll bis Ende Jahr abgeschlossen sein.

Das «Illustrierte Alphabet» von 1949

Das Wandbild Wylergut wurde von den beiden sozial engagierten Künstlern Eugen Jordi (1894-1983) und Emil Zbinden (1908-1991) im Auftrag der Stadt Bern im Jahr 1949 erschaffen. Die Wandmalerei zeigt ein Alphabet, welches die Buchstabenfolge mit Tierbildern, einzelnen Pflanzen und Artefakten, aber auch mit drei stereotyp dargestellten Menschen aus Asien, Afrika und Amerika illustriert. Im Zuge der Kontroverse um den Umgang mit dem Wandbild wurden im Juni 2020 diese drei Bildfelder C, I und N von Unbekannten schwarz übermalt. Das aktuelle Projekt wird auf eine Restaurierung der übermalten Stellen verzichten und sie als historisches Dokument belassen. 

Präsidialdirektion

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