Städtische Mobilität im Vergleich: In Bern legen ÖV und Velo zu
Die sechs grössten Deutschschweizer Städte Basel, Bern, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich haben nach 2012 zum zweiten Mal einen gemeinsamen Bericht «Städtevergleich Mobilität» erarbeitet. In allen beteiligten Städten wuchs sowohl die Zahl der Einwohnenden als auch jene der Beschäftigten – folglich nahm auch der Verkehr zu. Der Mehrverkehr konnte jedoch primär über den öffentlichen Verkehr (ÖV) und den Veloverkehr abgewickelt werden. Dies gilt auch für Bern: Der ÖV und der Veloverkehr haben je vier Prozentpunkte zugelegt. Darüber zeigt sich Verkehrsdirektorin Ursula Wyss erfreut. Beim Auto- und Fussverkehr ortet sie hingegen zusätzlichen Handlungsbedarf.
Seit der Publikation des ersten Städtevergleichs Mobilität vor fünf Jahren ist die Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner sowie der Beschäftigten in allen sechs beteiligten Städten gestiegen. Trotzdem hat die Fahrzeugmenge beim motorisierten Individualverkehr (MIV) in fünf Städten abgenommen oder nur leicht zugenommen (St. Gallen). Dafür verzeichnen alle Städte eine Zunahme bei den ÖV-Passagieren und den Velofahrenden. In allen Städten hat die Zahl der verunfallten Personen mit einer Verletzungsfolge gemessen an der Einwohnerzahl deutlich abgenommen.
Auch den zweiten «Städtevergleich Mobilität» haben die Städte Basel, Bern, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich gemeinsam erstellt. Darin werden die Städte kurz charakterisiert und Kennwerte zum Verkehrsverhalten der jeweiligen Stadtbevölkerung verglichen – beispielsweise der Modal Split, der zeigt, welche Verkehrsmittel welchen Anteil an den zurückgelegten Wegen ausmachen. Der Bericht enthält weitere Kennwerte zu den Verkehrsinfrastrukturen sowie Daten aus Verkehrszählungen. Zusätzlich werden auch Kennwerte aus dem Bereich Sicherheit und Umwelt verglichen. Bei einigen Indikatoren kann die zeitliche Entwicklung aufgezeigt werden – dies auf Basis der verfügbaren Zahlen aus dem ersten Bericht 2012 (Datenbestand 2010) und dem nun vorgelegten zweiten Bericht (Datenbestand 2015). Der «Städtevergleich Mobilität» dient als Basis für einen besseren Austausch und eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Städten im Bereich Verkehr sowie als Grundlage für die Erarbeitung von Mobilitätsstrategien und Massnahmen.
Die sechs Städte haben ähnliche Herausforderungen zu meistern: Sie wachsen auf begrenztem Raum, die Siedlungsdichte nimmt zu, die Zahl der Arbeitsplätze und damit auch die der Pendlerinnen und Pendler steigt genauso wie die Ansprüche an eine gute städtische Lebensqualität. Alle sechs Städte sind daher bestrebt, eine stadtgerechte Mobilitätsplanung zu betreiben. Hier zeigen sich Unterschiede in den Mobilitätskulturen zwischen den drei Grossstädten und den drei Mittelstädten. Die meisten Ähnlichkeiten weisen die drei Grossstädte Basel, Bern und Zürich auf. In diesen drei Städten ist der Anteil des öffentlichen Verkehrs und des Fuss- und Veloverkehrs am Gesamtverkehr der städtischen Bevölkerung mit 77 Prozent überdurchschnittlich hoch. Zudem besitzt in Basel und Zürich nur jede dritte Person ein Auto, schweizweit ist es im Durchschnitt jede zweite Person. Die drei mittelgrossen Städte Luzern, St.Gallen und Winterthur weisen untereinander ebenfalls grosse Ähnlichkeiten auf, jedoch ist die Bedeutung des MIV vergleichsweise höher als in den Grossstädten: 33 Prozent der Luzerner Bevölkerung und 35 Prozent der Einwohnenden in St. Gallen und Winterthur benutzen den MIV als Hauptverkehrsmittel.
Bei ÖV und Velo ist Bern auf Kurs
Der Anteil der mit dem Velo zurückgelegten Wege ist in Bern seit 2010 von 11 auf 15 Prozent angestiegen. Diese Zunahme wertet Gemeinderätin Ursula Wyss als ersten Erfolg der aktuellen städtischen Velopolitik: «Das Zwischenergebnis freut mich und es zeigt, dass wir mit der Velo-Offensive auf dem richtigen Weg sind». Diese Politik will die Verkehrsdirektorin konsequent weiterführen: «Ziel des Gemeinderats ist es, den Anteil des Velos bis 2030 auf mindestens 20 Prozent zu steigern. Das ist kein Selbstläufer, und wir sind weiterhin stark gefordert». Mit dem Velo-Verleihsystem, der Velo-Kampagne und weiteren Velo-Hauptrouten seien dazu wichtige Projekte unterwegs.
Mit dem öffentlichen Verkehr legten die Stadtbernerinnen und -berner gemäss Mikrozensus im Jahr 2015 knapp 32 Prozent der Wege zurück – gegenüber 28 Prozent vor fünf Jahren. Dies bestätigt für Ursula Wyss, dass «Bern über ein ausgezeichnetes ÖV-Angebot verfügt und es wichtig bleibt, in den ÖV zu investieren». Für die Stadtentwicklung sei es deshalb von grosser Bedeutung, dass Projekte wie der Bahnhofausbau oder das Tram nach Ostermundigen realisiert werden können.
Zusätzlicher Handlungsbedarf bei Auto- und Fussverkehr
Zwar ist der Anteil der autofreien Haushalte in Bern von 53 Prozent auf 57 Prozent gestiegen und erreicht den höchsten Wert im Städtevergleich. Gleichzeitig sind jedoch die von den Bernerinnen und Bernern mit dem Auto zurückgelegten Wege seit 2010 stabil bei 22 Prozent geblieben. Dieser Wert kontrastiert mit den auf dem Stadtnetz tatsächlich gemessenen Autofahrten: An den Zählstellen um die Innenstadt wurden im gleichen Zeitraum 16 Prozent und entlang der Stadtgrenze 10 Prozent weniger Fahrten registriert. Gemäss Verkehrsplaner Karl Vogel ist dies auf unterschiedliche Zählmethoden zurückzuführen: «Der Mikrozensus basiert auf Befragungen und zeigt vor allem Tendenzen. Demgegenüber messen die Zählstellen sehr genau, aber nur bei den betroffenen Strassen und nicht auf dem Gesamtnetz». Laut Karl Vogel «dürfte die Wahrheit deshalb irgendwo in der Mitte liegen». Man habe somit zwar durchaus gewisse Fortschritte erzielt, meint Ursula Wyss. Damit die vom Gemeinderat aus der Energiestrategie und dem Stadtentwicklungskonzept vorgegebene Reduktion um 20 Prozent bis 2030 erreicht werden könne, seien jedoch zusätzliche Anstrengungen erforderlich. Zu denken sei dabei etwa an weitere Verkehrsberuhigungsmassnahmen in den Quartieren oder an das in Arbeit befindliche Parkierungskonzept, welches sie dem Gemeinderat zuhanden einer öffentlichen Mitwirkung vorlegen will.
Wie in den übrigen Städten ist auch in Bern der Anteil Fusswege zurückgegangen, und zwar von 39 auf 30 Prozent. «Das ist zwar nach wie vor ein respektabler Anteil, der starke Rückgang gibt mir aber zu denken», meint Ursula Wyss. Sie wolle daher gezielt Gegensteuer geben. Laut Karl Vogel haben die Mitwirkung für den neuen Richtplan Fussverkehr oder die für die Innenstadt durchgeführte «Public space – public life»-Studie wertvolle Ideen gebracht, welche die Verkehrsplanung nun rasch an die Hand nehmen wolle. «Dazu stehen uns nach der vom Stadtrat kürzlich bewilligten Erhöhung der Mittel für die Förderung des Fuss- und Veloverkehrs nun genügend finanzielle und schon bald auch die erforderlichen personellen Ressourcen zur Verfügung».
Download der Publikation: www.bern.ch/themen/mobilitat-und-verkehr/gesamtverkehr/basisdaten-und-erhebungen
Parallel zu dieser Medienmitteilung geben auch die anderen fünf beteiligten Städte heute eine entsprechende Mitteilung heraus.
Entwicklung Modalsplit Stadt Bern
Zurückgelegte Wege der Stadtbernerinnen und -berner.
Mikrozensus Mobilität und Verkehr (MZMV)
Der «Mikrozensus Mobilität und Verkehr» (MZMV) dient dazu, die Mobilität der Schweizer Bevölkerung statistisch zu erfassen. Die Erhebung wird alle fünf Jahre gemeinsam vom Bundesamt für Statistik (BFS) und vom Bundesamt für Raumplanung (ARE) durchgeführt und gehört zum System der neuen Volkszählung. Es werden schweizweit rund 60'000 zufällig ausgewählte Personen telefonisch zu ihrem Verkehrsverhalten befragt. Der Mikrozensus Mobilität und Verkehr liefert unter anderem Hinweise auf die Benutzung der einzelnen Verkehrsmittel, auf den Zweck der Mobiliät sowie auf die Distanzen, welche in der Schweiz täglich zurückgelegt werden. Die Resultate der Erhebung ermöglichen unter anderem gezielte und faktenbasierte Entscheide in den Bereichen Verkehrspolitik und Raumplanung. |