Stadt will stärker auf Open Source Software setzen
Der Gemeinderat hat im Auftrag des Stadtrats das Potenzial für den Einsatz von Open Source Software (OSS) in der Stadtverwaltung analysieren lassen. Nun liegt das Ergebnis vor. Der Gemeinderat kommt zum Schluss, dass ein wirtschaftlicher Betrieb der Stadtinformatik bei einem vollständigen Umstieg auf OSS nicht möglich ist. Durch drei Massnahmen soll in Zukunft jedoch noch stärker auf Open Source-Lösungen gesetzt werden.
Im August 2016 erteilte der Stadtrat dem Gemeinderat den Auftrag, die Machbarkeit einer Umstellung auf Open Source-Produkte in der Stadtverwaltung Bern zu prüfen, mit dem Ziel, die Abhängigkeit von marktdominanten Herstellerinnen und Herstellern proprietärer Software zu verringern. In der Folge führten die städtischen Informatikdienste in Zusammenarbeit mit einer externen Firma eine Potenzialanalyse zum Einsatz von OSS durch. In fünf Pilotprojekten wurden umfangreiche technische Tests durchgeführt. Das Ergebnis der Potenzialanalyse liegt nun vor.
Vollständiger Umstieg nicht zweckmässig
Open Source-Software (OSS) zeichnet sich dadurch aus, dass deren Quelltexte nicht von einer einzelnen Firma verwaltet werden, sondern öffentlich sind und von Dritten kostenlos genutzt und für spezifische Bedürfnisse abgeändert werden können. In der Informatik der Stadtverwaltung werden seit Jahren sowohl OSS-Produkte als auch proprietäre Software-Produkte ohne offenen Quellcode eingesetzt. Über alle Produkte hinweg gelten dieselben Anforderungen: Sie müssen funktional, stabil und wirtschaftlich sein.
Der vorliegende Abschlussbericht legt dar, dass ein gänzlicher Umstieg auf OSS zum heutigen Zeitpunkt nicht zweckmässig wäre, da bei allen Anforderungen Einschränkungen in Kauf genommen werden müssten. Dies vorab aus zwei Gründen: Weil die Alternativen nicht alle erforderlichen Funktionen bieten und aufgrund der fehlenden Kompatibilität mit bestehenden Komponenten. Gerade Produkte der Firma Microsoft im Officebereich, zu welchen die stärkste Abhängigkeit besteht, können mit Blick auf einen reibungslosen und verlustfreien Dokumentenaustausch nicht vollständig ersetzt werden.
Keine Kosteneinsparungen mit OSS
Die grösste Motivation für den Einsatz von OSS besteht darin, die Abhängigkeit von marktdominanten Softwarefirmen zu lösen. Durch den Einsatz von OSS fallen die Lizenzkosten weg; diese machen am Betrieb der IT-Infrastruktur der Stadtverwaltung heute rund 14 Prozent aus. Einsparungen bei Lizenzkosten werden jedoch relativiert durch die notwendigen Supportverträge mit OSS-Fachleuten. Insgesamt verhindern die hohen Investitionen, welche zum Aufbau von OSS-Plattformen, zum Wissensaufbau bei den Mitarbeitenden und zur Migration von Vorlagen und Dokumenten notwendig sind, Kosteneinsparungen bei einem vollständigen Umstieg auf OSS.
Künftige OSS-Strategie
Vor diesem Hintergrund und gestützt auf den Expertenbericht kommt der Gemeinderat zum Schluss, dass es zum heutigen Zeitpunkt nicht zweckmässig ist, die im Einsatz stehenden, proprietären Produkte vollständig durch OSS-Produkte abzulösen. Vielmehr soll der bewährte Mischbetrieb von proprietären Produkten und OSS-Produkten fortgesetzt werden. Jedoch soll durch drei Massnahmen die Grundlage geschaffen werden, um in Zukunft noch stärker auf Open Source-Lösungen zu setzen. So soll bei der Beschaffung von künftigen Anwendungen auf eine hohe Plattformunabhängigkeit geachtet werden. Zweitens sollen individuelle Fachanwendungen als OSS entwickelt werden, wobei der Quellcode im Internet publiziert werden soll. In diesem Zusammenhang soll auch die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden, mit dem Kanton Bern und dem Bund verstärkt werden. Und schliesslich soll drittens die Unabhängigkeit der Stadtverwaltung durch eine schrittweise Etablierung von offenen Datenformaten gestärkt werden. Der Gemeinderat beauftragt die Informatikdienste, bis Ende 2020 eine Auslegeordnung mit möglichen Umsetzungsmassnahmen zu erarbeiten.
Dokumente
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Stadtratsvortrag Potenzialanalyse Open Source Software (POTOSS) (PDF, 647.8 KB) |