New-York-Stipendium künftig in Brooklyn
Nach der unerwarteten Kündigung der bisherigen Gastateliers in New York haben der Kanton und die Stadt Bern gemeinsam eine neue Lösung gefunden, um auch weiterhin jährlich insgesamt vier Stipendien für Kulturschaffende auszuschreiben: Neu arbeiten die beiden Kulturförderstellen mit Residency Unlimited zusammen. Die ausgewählten Kulturschaffenden werden also künftig nach Brooklyn reisen, in das Zentrum der jüngeren Kunst- und Kulturszene New Yorks.
Während Jahrzehnten mieteten der Kanton und die Stadt Bern je zwei Wohnateliers im New Yorker Stadtteil Manhattan und konnten so jährlich zwei sechsmonatige Auslandstipendien für Kulturschaffende ausschreiben und vergeben. Im Herbst 2017 kam überraschend das Aus. Die Vermieterin, die Berner Schauspielerin Linda Geiser, verkaufte ihre Liegenschaft und kündigte das über 35 Jahre dauernde Mietverhältnis.
Die Kulturverantwortlichen von Stadt und Kanton prüften verschiedene Optionen. Schliesslich entschieden sie sich, die städtisch-kantonale Kooperation in New York fortzusetzen und neu mit dem Partner «Residency Unlimited» RU (www.residencyunlimited.org) zusammenzuarbeiten. Die von Kunstschaffenden gegründete Organisation entwickelte in einer umgenutzten Kirche in Carroll Gardens im Stadtteil Brooklyn einen multifunktionalen Kunstraum als Drehscheibe und Ausgangspunkt für Ausstellungen, Screenings, öffentliche Gespräche und Performances, aber auch für informelle Treffen der internationalen Gäste und für deren Produktionen. Zudem vermittelt RU internationalen Gästen Ateliers, Auftrittsmöglichkeiten und Wohnungen.
Der Turnus sieht vor, dass Stadt und Kanton wie bisher im Halbjahreswechsel je zwei New-York-Stipendien ausschreiben, jeweils zu den gleichen Bedingungen. Den Anfang macht die Stadt Bern und schreibt die ersten zwei Stipendien in Zusammenarbeit mit RU für die Periode vom 1. August bis Ende 2019 aus. Nebst einem zur Verfügung gestellten Atelier und einer (neu separaten) Wohnunterkunft umfasst das Stipendium einen Beitrag von 15 000 Franken an die Lebenshaltungskosten. Angesichts der gesteigerten Preise in New York musste es um einen Monat auf fünf Monate gekürzt werden. Mehr denn je ist für einen gelungenen Arbeitsaufenthalt in New York entscheidend, wie rasch man die jeweils «richtigen» Orte und Leute kennenlernt. Was Linda Geiser bisher informell leistete, wird in den kommenden Jahren also vertraglich institutionalisiert. Die nach New York reisenden Kulturschaffenden werden vom Netzwerk von RU profitieren können.
Damit endet die Zusammenarbeit mit Linda Geiser. In jungen Jahren hatte die Berner Schauspielerin mit dem Kauf des Red House in New York einen Glücksgriff getan, von dem sie Generationen von Berner Kulturschaffenden profitieren liess: ein rotes Backsteinhaus mitten im damals noch heruntergekommenen Viertel an der Lower East Side. Musiker und Tänzerinnen, Schreibende und Theaterschaffende, Bildende Künstlerinnen und Filmschaffende aus Stadt und Kanton Bern, darunter viele bis heute die Berner Kulturszene prägende Persönlichkeiten, teilten sich dort in den letzten Jahrzehnten zwei Wohnungen und ein Atelier.
Zur Schauspielerin Linda Geiser ist im Zytglogge Verlag ein Buch von der Journalistin Gabriela Kaegi und Heinz Stalder in Vorbereitung. Jahrzehntelang war die New Yorkerin aus Bern Spiritus Rector hinter dem bisherigen New-York-Stipendium, talentierte Netzwerkerin, Schlummer- und Kummermutter. Es ist Teil ihres Lebenswerks, dass sie im Red House verschiedene Ateliers an Schweizer Förderstellen vermietete und so über Jahre Kulturschaffende empfing. |