Farbsack-Trennsystem braucht Anpassungen
Die fortgeschrittenen Vorbereitungsarbeiten zeigen, dass das Farbsack-Trennsystem Anpassungen benötigt. In der aktuellen Ausgestaltung wären die Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum zu hoch und eine verhältnismässige Umsetzung nicht möglich. Zudem gibt es Rechtsunsicherheiten bei der Erstellung von privaten Containerstandplätzen. Die Einführung wird deshalb aufgeschoben, bis die offenen Fragen geklärt sind.
Die Stimmberechtigten der Stadt Bern haben im November 2021 die Einführung des Farbsack-Trennsystems gutgeheissen. Mit dem neuen Entsorgungssystem soll die Abfuhr von Kehricht und Separatabfällen neu in Containern stattfinden. Die Container stehen im Grundsatz auf Privatgrund. Wo dies der Platz nicht zulässt, bietet die Stadt gegen die Entrichtung einer Ersatzabgabe eine Entsorgungslösung auf öffentlichem Grund an. Die Einführung des Farbsack-Trennsystem ist in Etappen – Stadtteil für Stadtteil – geplant, als erstes im Stadtteil III, Mattenhof-Weissenbühl.
Vertiefte Abklärungen erforderlich
Im Rahmen der Vorbereitung der Einführung im Stadtteil III zeigte sich, dass dort das Spannungsfeld der verschiedenen Nutzungen im öffentlichen Raum höher ist als erwartet. Aus diesem Grund wurde die für 2022 geplante Einführung auf 2023 verschoben. Die seither getätigten Abklärungen führten zwar zu Optimierungen des Systems. Gleichzeitig brachten sie jedoch weitere Probleme zum Vorschein. Die Direktion für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün hat darum entschieden, die Einführung aufzuschieben, bis die notwendigen Abklärungen erfolgt und die gebotenen Anpassungen definiert sind.
Kumulation von aufgetauchten Problemen
Der Entscheid, die Einführung aufzuschieben, beruht auf der Kumulation der Probleme, die im Verlauf der letzten Monate aufgetaucht sind: So hat sich gezeigt, dass im Vorfeld getroffene Annahmen teilweise zu optimistisch waren und bei vielen Liegenschaften eine Platzierung der Container auf Privatgrund nicht möglich oder realistisch ist. Dies haben die planmässig durchgeführten Befragungen der Liegenschaftseigentümer*innen und -verwaltungen und diverse Begehungen gezeigt. Hinzu kommen Unsicherheiten zu baurechtlichen Vorgaben zum Schutz des sogenannten privaten Vorlandes – also dem Raum zwischen dem Trottoir und der Hausfassade. Deren Tragweite wurde bisher unterschätzt. Vertiefte Abklärungen sollen nun Rechtssicherheit für die Behörden und die Liegenschaftseigentümer*innen schaffen. Die Stadt empfiehlt darum, vorderhand mit der Erstellung von Containerstandplätzen auf Vorland zuzuwarten.
Unabhängig von der im Detail zu klärenden Rechtsanwendung ist absehbar, dass voraussichtlich deutlich mehr Container auf öffentlichem Grund erforderlich wären. Da-durch könnte jedoch ein bedeutender Teil der Bewohnerinnen und Bewohner nicht direkt vor der Haustür entsorgen und damit nicht im vollen Umfang von den Vorzügen des Farbsack-Trennsystems profitieren. Zudem käme es wegen den zusätzlichen öffentlichen Standplätzen zu unverhältnismässigen Auswirkungen auf die übrigen Nutzungsbedürfnisse im öffentlichen Raum – z.B. die Auto- und Veloparkierung, Aufenthaltsflächen oder Klimaanpassungsmassnahmen – und das Stadtbild. Die vertieften Abklärungen sollen auch diesbezüglich mögliche Lösungen aufzeigen.
Projekt noch komplexer als angenommen
Gemäss dem Leiter von Entsorgung + Recycling Stadt Bern, Christian Jordi, habe man zwar bei der Einführung des Farbsack-Trennsystems mit komplexen Herausforderungen gerechnet. Darum habe man sich für ein etappiertes Vorgehen entschieden. «Die Fülle an Einzelproblemen, auf die wir nun gestossen sind, haben wir jedoch in diesem Ausmass nicht erwartet», so Jordi weiter. «Im Rückblick waren wir wohl zu optimistisch», bilanziert die zuständige Direktorin für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün, Gemeinderätin Marieke Kruit. «Der Aufschub ist sehr bedauerlich. Es ist jetzt aber auch nötig, um Liegenschaftseigentümer*innen vor allenfalls verzichtbaren Investitionen zu bewahren.»
Entsorgung ist jederzeit sichergestellt
Mit dem Farbsack-Trennsystem verfolge die Stadt drei Ziele: Den besseren Gesundheitsschutz des Personals, die Entlastung der überlasteten städtischen Sammelstellen sowie eine Vereinfachung von Trennen und Entsorgen von Abfall, so Marieke Kruit. «Diese Ziele werden auch die Richtschnur der Projektüberarbeitung sein.» Für die Bevölkerung, insbesondere auch im Stadtteil III, bedeutet die Aufschiebung, dass es vorderhand zu keiner Veränderung der Entsorgungsgewohnheiten kommt. Die Entsorgung in Bern sei auch durch das angepasste Vorgehen jederzeit sichergestellt, so Christian Jordi.