Das Traditionsbad Hirschengraben schliesst Ende Monat
Am Freitag, 30. Juni, um 19 Uhr, schliesst das älteste städtische Hallenbad nach 84 Betriebsjahren. Das traditionsreiche Bad mitten in der Stadt ist am Ende seiner Lebensdauer angelangt. Zur Aufrechterhaltung des Badbetriebs waren seit mehreren Jahren kostenintensive Zustandsüberwachungs- und Unterhaltsmassnahmen nötig.
Bereits im Jahr 2011 hatte der Gemeinderat entschieden, die Anlage Hallenbad und Sauna Hirschengraben nach dem Bau eines neuen Hallenbads zu schliessen. Diesen Entscheid hat die Stadtregierung dann 2021 im Zuge des Haushaltentlastungspakets FIT II bestätigt: Zu hoch sind in den letzten Jahren die Kosten für Betriebs-, Revisions- und Unterhaltsarbeiten ausgefallen. Mit Blick auf den Baufortschritt der Schwimmhalle Neufeld und deren geplante Eröffnung am 23. September 2023 legte der Gemeinderat die Stilllegung des Hallenbades auf den 30. Juni 2023 fest. Die Sauna Hirschengraben hat ihren Betrieb bereits am 29. April 2023 eingestellt.
Ein bisschen Wehmut und Vorfreude auf Schwimmhalle
«Ich habe in meiner Jugend und später mit meinen Kindern viele Stunden schwimmend im Muubeeri verbracht. Es ist ein besonderes Bad mit einem beeindruckenden historischen Charme, sagte Sportdirektorin Franziska Teuscher vor den Medien. Sie könne gut verstehen, dass bei vielen heute etwas Wehmut aufkomme. «Doch ich bin sicher, die Schwimmhalle Neufeld wird im Nu eine grosse Fangemeinde haben.»
Weiterbetrieb des Bades nicht verantwortbar
Das Hallenbad Hirschengraben weist alters- und konstruktionsbedingte bauliche Mängel auf. Schon seit längerer Zeit kann der Weiterbetrieb nur unter dauernder Zustandsüberwachung und dank laufenden Unterhaltsmassnahmen aufrechterhalten werden. So musste im Sommer 2020 eine Sicherungskonstruktion in die kleine Schwimmhalle eingebaut werden, um die Dachkonstruktion im Falle eines Einbruchs abzufangen. Im Jahr 2021 stürzten Deckenteile im Ruhebereich der kleinen Schwimmhalle ab. Der betroffene Bereich wurde abgesperrt und ist seitdem nicht mehr nutzbar. Über die künftige längerfristige neue Nutzung des «Hirschengrabens» ist noch nicht entschieden.
Zwischennutzung: Klettern statt schwimmen
Bis Anfang 2024 werden die Hallenbadräumlichkeiten zur Boulderanlage umgestaltet und voraussichtlich bis 2026 als solche zwischengenutzt werden. Der Gemeinderat hat sich aus betrieblichen und bewilligungstechnischen Gründen für «bouldern und klettern» als Zwischennutzungsprojekt entschieden. Die O’Bloc AG, Betreiberin der Boulder- und Kletterhalle Ostermundigen, richtet die Halle für alle Kletterinteressierten ein. Gemeinderat Michael Aebersold, Direktor für Finanzen, Personal und Informatik, der früher selbst kletterte, hält dazu fest: «Ich freue mich sehr, dass eine gerade auch für Jugendliche attraktive Zwischennutzung realisiert werden kann. Und wer weiss, vielleicht werde ich einen Versuch mit Bouldern starten.»
Übergangszeit Sommer 2023: Personal wechselt ins Neufeld
Schon jetzt pendeln der Anlagechef Paul Tanner und sein Stellvertreter Martin Jenni regelmässig ins Neufeld. Denn: Ab Herbst 2023 arbeitet der ehemalige «Muubeeri»-Chef mit seinem Team in der neuen Schwimmhalle Neufeld. «Bei Arbeitsbeginn im Hirschengraben wussten wir nie, was technisch noch läuft und was nicht, aber das konnten wir meist beheben, so dass die Gäste nichts davon gemerkt haben», sagt Tanner. Insofern freue er sich sehr auf die neue Schwimmhalle. Vermissen werde er die Einmaligkeit des alten Bads: «Die Architektur ist etwas ganz Besonderes. Zum Beispiel die Stufenrampe, die mit von Hand gefertigten Klinkerplatten ausgelegt ist. So etwas gibt es nirgends mehr.»
Schwimmhalle Neufeld: Eröffnung im September
Der Bau der neuen Schwimmhalle Neufeld schreitet planmässig voran, und der geplanten Eröffnung am 23. September steht nichts im Weg. Die neue Schwimmhalle verfügt über ein 50m-Becken mit einer verschiebbaren Beckentrennung, einen Kinderbereich, ein Sprung- und ein Lehrschwimmbecken sowie einen Sprudelbereich. In der Anlage befinden sich zudem das Clubhaus des Tennisvereins TC Neufeld und des Hallentennisclubs Bern, zugänglich über einen separaten Eingang. Am Samstag, 23. September 2023 kann die Öffentlichkeit das Schwimmbad und die umliegenden Sportanlangen im Rahmen eines Tags der offenen Tür besichtigen.
«S’Muubeeri»: Vom Sommerleistbad zum Hirschengraben
Aus der im 18. Jahrhundert gegründeten Berner Herrengesellschaft Sommerleist entstand in den 1920er-Jahren die Sommerleist AG. Diese betrieb ab 1927 an der Maulbeerstrasse 14 am Standort des heutigen Lehrschwimmbeckens ein Bad mit Wannen, türkischem Bad und Coiffeursalon. Angrenzend bauten 1938/39 Rudolf v. Ernst und Hans Beyeler für die «badefreudige Bevölkerung Berns» das Hallenbad Sommerleist. Entstanden ist das «schönste und modernste Hallenbad der Schweiz», wie anlässlich der Eröffnung in der «Berner Woche» zu lesen war. In den Eröffnungsreden wurde erwähnt, dass das Hallenbad vorab den Schwimmclubs, der Jugend und dem Militär dienen solle. Erst an vierter Stelle wird die Bevölkerung genannt, die das Bad um ihrer Gesundheit willen nutzen könne. Besonders erwähnt wurden die Liegestühle und Korbsessel vor den Blumenfenstern, wo es sich die Gäste bequem machen, «die Zeitung lesen und rauchen» konnten. Das «Sommerleistbad» wurde im Laufe der Jahre in Hallenbad Hirschengraben umbenannt. Umgangssprachlich bleibt das Hallenbad bei der Berner Bevölkerung wohl als «s’Muubeeri» in Erinnerung.