Gemeinderat ortet massive Probleme im Vollzug
Ausschaffungsinitiative: Umsetzung nicht möglich
Die vom Bundesrat erarbeitete Gesetzesvorlage zur Ausschaffungsinitiative lässt sich nach Einschätzung des Gemeinderates nicht rechtskonform umsetzen. Ausgeblendet würden zudem die bereits heute bestehenden und auch mit Annahme der Vorlage weiter bestehenden Vollzugsprobleme. Damit verfehlt die Vorlage die von der Initiative angestrebte Wirkung, so der Gemeinderat. Die Vorlage trage ebenso wenig den Ressourcen der Vollzugsorgane von Kantonen und Gemeinden Rechnung. Aus diesen Gründen lehnt der Gemeinderat die Vorlage im Rahmen einer Vernehmlassung des Städteverbands ab.
Der Bundesrat legt in einer
Vernehmlassung zwei Varianten zur Umsetzung der am 28. November 2010 von Volk
und Ständen angenommenen Volksinitiative «für die Ausschaffung krimineller
Ausländer (Ausschaffungsinitiative)“ vor. Variante 2 setzt sich über bisheriges
Verfassungsrecht und Menschenrechtsgarantien hinweg. Aber auch Variante 1
berücksichtigt die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz nicht vollständig.
Da die Vorlage eine vollständig rechtskonforme Umsetzung nicht zulässt, fehlt
ihr die rechtliche Legitimität und muss laut Gemeinderat schon deshalb
abgelehnt werden.
Vorlage löst bestehende Vollzugsfragen nicht
Ausgeblendet werden die bereits
heute bestehenden und auch mit Annahme der Vorlage weiter bestehenden
Vollzugsprobleme. Fehlende Reisepapiere und die Weigerung der Rückübernahme
durch Heimatstaaten verhindern eine Ausschaffung bereits heute, auch wenn diese
rechtlich möglich und angezeigt ist. Die Wiedereinführung der strafrechtlichen
Landesverweisung, wie sie bis im 2003 im Strafrecht vorgesehen war, ändert
daran nichts.
Aus Vollzugssicht ebenso fraglich
ist der mit der Vorlage angestrebte Dualismus von Migrations- und
Strafbehörden. Die Migrationsbehörden erlassen bereits heute im Rahmen des
geltenden Ausländergesetzes (AuG) Wegweisungsverfügungen und beantragen beim
Bundesamt für Migration Einreiseverbote. Da sich die Probleme beim Vollzug
strafrechtlicher Landesverweisungen gleich oder ähnlich gelagert darstellen
werden, erscheint der vorgeschlagene Dualismus der Zuständigkeit nicht
sachgerecht.
Finanzielle Konsequenzen werden ausgeblendet
Die Umsetzung der Vorlage würde laut
Gemeinderat zu massiven Mehrbelastungen der Straf-, Migrations- und
Polizeibehörden führen. Es ist sodann davon auszugehen, dass Betroffene
sämtliche zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausschöpfen werden. Im Weiteren
dürfte sich insbesondere für die Kantone das Problem der finanziellen Last im
Zusammenhang mit der Administrativhaft verschärfen. Es gilt zu bedenken, dass
bereits heute in der ganzen Schweiz geeignete Haftplätze fehlen. Um das Gesetz
vollziehen zu können, würde also die Errichtung von neuen Haftanstalten
notwendig. Dies bedeutet einen entsprechend grossen finanziellen Mehraufwand
für die Kantone. Mit einer Gesetzesvorlage wären deshalb zwingend auch die
nötigen Strukturen und Ressourcen auf Seiten der Vollzugsbehörden und der
Justiz zuzusichern.
Ebenso fehlt in der Vorlage eine
Regelung, dass der Bund die Vollzugsbehörden unterstützt (z.B. bei der Abklärung
der Identität und Nationalität, bei der Beschaffung von Reisepapieren etc.) und
die anfallenden Kosten übernimmt, wie er dies bei der Unterstützung im Rahmen
des Vollzugs der ausländerrechtlichen Weg- und Ausweisung tut.
Einmal mehr stellt der Gemeinderat der Stadt Bern fest, dass für die migrationspolitischen
Herausforderungen der Weg einer wenig zielführenden und kaum vollzugstauglichen
rechtlichen Regulierung beschritten werden soll.