Stadt Bern zieht Littering-Entscheid ans Bundesgericht weiter
Der Gemeinderat hat entschieden, den Littering-Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern ans Bundesgericht weiter zu ziehen. Das Verwaltungsgericht war zum Schluss gekommen, dass die Entsorgung von Sied-lungsabfall aus dem öffentlichen Raum allein über die Steuern und nicht über Gebühren zu finanzieren sei. Der Gemeinderat ist überzeugt davon, dass das städtische Abfallreglement dem übergeordneten Recht entspricht, und will sich mit dem Weiterzug der Beschwerde für die Anwendung des Verursacherprinzips im öffentlichen Raum stark machen.
Mit Urteil vom 19. Januar 2011 hat das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde von verschiedenen Detailhändlern gegen die Neuberechnung der Kehrichtgrundgebühren teilweise gutgeheissen. Es hält in seinem Grundsatzentscheid insbesondere fest, dass die Kosten für die Entsorgung des Siedlungsabfalls aus dem öffentlichen Raum nicht über Gebühren gedeckt werden dürfen. Vielmehr sollen gemäss dem Urteil nur noch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der Stadt Bern für diese Ausgaben aufkommen müssen. Der Gemeinderat hat nun entschieden, das Urteil des Verwaltungsgerichts ans Bundesgericht weiter zu ziehen.
Verursachergerechte Finanzierung über Steuern und Gebühren
Mit dem Weiterzug der Beschwerde will der Gemeinderat die im Abfallreglement festgeschriebene Mitfinanzierung der Entsorgung von Siedlungsabfällen aus dem öffentlichen Raum vom Bundesgericht überprüfen lassen. Es widerspreche dem Verursacherprinzip, wenn die Entsorgung ausschliesslich über die Steuern finanziert würde, so der Gemeinderat. Denn dies hiesse, dass einzig die steuerpflichtige Bevölkerung und das ansässiges Gewerbe der Stadt Bern dafür aufkommen müsste. Dem Verursacherprinzip trage das Abfallreglement Rechnung, indem auch nicht steuerpflichtige Arbeitgeber über die Grundgebühren ihrer Liegenschaften und indirekt die rund 100'000 Arbeitspendlerinnen und -pendler einen Teil der Entsorgungskosten im öffentlichen Raum tragen. Die Grundlast wird damit auf zusätzliche Personen verteilt, die ebenfalls Entsorgungskosten von Siedlungsabfällen im öffentlichen Raum verursachen.
Im öffentlichen Raum entsorgte Siedlungsabfälle verursachen hohe Kosten
Mit ihrer Gebührenausgestaltung zielt die Stadt Bern nicht nur auf die Verringerung von Littering, d.h. von achtlos weggeworfenen und liegengelassenen Abfällen auf Strassen, öffentlichen Plätzen oder in der Natur ab. Vielmehr geht es ihr auch um die in öffentlichen Abfalleimern deponierten Siedlungsabfälle wie Verpackungen, Essensreste und Getränkeflaschen. Diese Abfälle sind einerseits eine Folge von veränderten Lebens- und Konsumgewohnheiten (Take-Away-Kultur und zunehmende Verpackungen). Andererseits sind sie darin begründet, dass sich Einzelne auf Kosten der Allgemeinheit den verursachergerechten Sackgebühren entziehen wollen.
Gemäss einer Studie von seecon aus dem Jahre 2006 liegt der Gewichtsanteil von in öffentlichen Abfalleimern entsorgten gebührenpflichtigen Hausabfällen bei durchschnittlich knapp 50 Prozent. Die fliegende Verpflegung (Take Away) macht rund 20 Prozent aus. Eine aktuelle (noch unveröffentlichte) Studie des Bundesamts für Umwelt geht davon aus, dass die öffentliche Hand jährlich rund 200 Millionen Franken für die Beseitigung von gelittertem Abfall im öffentlichen Raum und im öffentlichen Verkehr aufwendet.
Klärung der Rechtslage vordringlich
Das Verwaltungsgerichtsurteil betrifft indirekt auch verschiedene andere Städte: Aufgrund des Bundesgesetzes über den Umweltschutz und der kantonalen Gesetzgebung finanzieren z.B. auch Thun oder Biel die Entsorgung von Siedlungsabfällen im öffentlichen Raum teilweise über die Abfallgebühren. Auch der Schweizerische Städteverband ist an einer Klärung der Rechtsfrage durch das Bundesgericht interessiert.
Provisorische Gebührenrechnungen fürs laufende Jahr
Angesichts der bestehenden rechtlichen Unsicherheiten werden im laufenden Jahr alle geschuldeten Abfallgrundgebühren provisorisch in Rechnung gestellt. Sobald der Bundesgerichtsentscheid vorliegt, folgt die definitive Abrechnung. Sollte sich aufgrund des Bundesgerichtsurteils herausstellen, dass die Gebühren reduziert werden müssen, werden die entsprechenden Beträge rückvergütet.