Neue Schlichtungsbehörde nimmt am 1. Januar den Betrieb auf
Im Rahmen der kantonalen Justizreform werden Arbeitsgericht und Mietamt der Stadt Bern per 31. Dezember 2010 aufgelöst. Ab 1. Januar 2011 ist die neu geschaffene regionale Schlichtungsbehörde Bern-Mittelland für arbeits- und mietrechtlich Streitigkeiten in Bern und Umgebung zuständig. Mit der Schliessung der beiden Institutionen geht eine über 115-jährige Geschichte zu Ende.
Die Aufgaben von Arbeitsgericht und Mietamt der Stadt Bern werden im Rahmen der Justizreform kantonalisiert und zusammengeführt. Ab dem 1. Januar 2011 ist die neu geschaffene Schlichtungsbehörde Bern-Mittelland für arbeits- und mietrechtliche Streitigkeiten zuständig. Weiter übernimmt die kantonale Schlichtungsbehörde von den beiden städtischen Stellen die arbeits- und mietrechtliche Rechtsberatungen. Hängige Verfahren aus dem Jahr 2010 gehen ab neuem Jahr an die Schlichtungsbehörde über. Sie befindet sich an folgender Adresse:
Regionale Schlichtungsbehörde Bern-Mittelland
Effingerstrasse 34
3008 Bern
031 635 47 50
Die Öffnungs- und Beratungszeiten werden rechtzeitig auf der Seite der kantonalen Justizdirektion (www.jgk.be.ch) publiziert.
Arbeitsgericht als Reaktion auf soziale Unruhen
Mit der Schliessung von Arbeitsgericht und Mietamt geht eine über 115-jährige Tradition zu Ende. Das Arbeitsgericht wurde 1893 nach den so genannten «Käfigturmkrawallen“ gegründet. Diese entluden sich am Abend des 19. Juni 1893. Zuvor waren einheimische arbeitslose Bauhandlager in die Aussenquartiere gezogen, wo sie Baugerüste demolierten und italienische Bauarbeiter als Lohndrücker verprügelten. 14 Beteiligte wurden verhaftet und in den Käfigturm gesperrt, worauf sich am Abend eine Protestbewegung formierte, die die Gefangenen gewaltsam zu befreien versuchte. Erst die von Stadtpräsident Eduard Müller angeforderte Armee konnte den Ausschreitungen ein Ende machen.
Gütliche Einigung hatte Priorität
In der Folge wurden die nötigen Gesetzesgrundlagen von Kanton und Stadt in Eiltempo verabschiedet, sodass die paritätisch mit Laien besetzten Gewerbegerichte bereits am 24. Januar 1895 die erste Verhandlung abhalten konnten. Seither hat das Arbeitsgericht insgesamt 52'854 Klagen (also 459 pro Jahr) behandelt. Zu den zentralen Aufgaben des Arbeitsgerichts gehörte aber nicht nur das Fällen von Urteilen. Viel mehr suchte es mit Erfolg die gütliche Einigung: 90 Prozent aller Fälle liessen sich durch einen Vergleich abschliessen. Dazu kamen die Beratungen, die jedoch erst seit 1990 genau erfasst werden. Für die letzten zwanzig Jahre ergab sich dabei ein Schnitt von rund 4500 Beratungen pro Jahr.
Krise auf dem Wohnungsmarkt führt zur Gründung des Mietamts
Die Anfänge des Mietamts waren zwar weniger turbulent, das Bedürfnis nach einem solchen Gericht jedoch nicht geringer. Die erste Mietkommission nahm ihre Tätigkeit am 25. Juli 1917, mitten im 1. Weltkrieg, auf. Die Krise auf dem Wohnungsmarkt war gravierend, wie im Jahresbericht von 1920 nachzulesen ist: «Was da jahraus jahrein für eine Masse Recht-, Rat- und Auskunftsuchender die engen Treppen des Gemeindegebäudes an der Neuengasse auf- und abpilgert und sehr oft Gerichts- und Sprechzimmer wie Gänge förmlich belagert, ist unbeschreiblich.“ Das Jahr 1920 bescherte der damaligen Mietkommission auch die höchste Anzahl von Mietbegehren, nämlich 3614.
Hohe Geschäftslast mit der Einführung des neuen Mietrechts
Dank forcierter Bautätigkeit nach dem ersten Weltkrieg entspannte sich die Lage rasch, sodass die Mietkommission ihre Tätigkeit per Ende 1926 einstellen konnte. Erst 1942 nahm das Gericht, jetzt unter dem Namen Mietamt, den Betrieb wieder auf. Die Anzahl der Gesuche erreichte jedoch nie mehr die Ausmasse des 1. Weltkriegs. In den anschliessenden Jahren der Hochkonjunktur behandelte das Mietamt bloss zwei- bis dreihundert Gesuchsverfahren jährlich.
Ein sprunghafter Anstieg der Geschäftslast ergab sich 1990 mit der Einführung des neuen Mietrechts. Seither hat das Mietamt 15'421 Gesuche behandelt (771 pro Jahr) und 70’173 Beratungen durchgeführt (3508 pro Jahr). Gerade in Zeiten starker Hypothekarzinsschwankungen waren die Dienstleistungen des Mietamts stark gefragt. Zweimal mussten gar die Kapazitäten durch die Einsetzung eines ausserordentlichen Mietamts verstärkt werden, nämlich Anfangs der 90-er Jahre sowie 2001/2002.