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2. Juni 2006 | Gemeinderat, Direktionen

Hochwasserschutz Aare Bern: Langfristige Massnahmen – zwei Varianten werden weiterverfolgt

Der Gemeinderat der Stadt Bern hat am Mittwoch über das weitere Vorgehen beim langfristigen Hochwasserschutz entschieden. Während der letzten Monate sind zusammen mit Vertretern der betroffenen Bevölkerung und den zuständigen Fachstellen insgesamt zehn Varianten für die Verbesserung des langfristigen Hochwasserschutzes in der Stadt Bern geprüft worden. Gestützt auf die Resultate dieser Analyse, hat der Gemeinderat nun diejenigen Varianten ausgeschieden, die als langfristige Lösung nicht in Betracht kommen. Die zwei verbleibenden Varianten werden in einer nächsten Etappe weiter ausgearbeitet und der Bevölkerung zur Mitwirkung vorgelegt.

Mit dem langfristigen Hochwasserschutz soll erreicht werden, dass die Quartiere entlang der Aare künftig vor Hochwasserereignissen mit einer Wasser-Abflussmenge von bis zu 600m3/s geschützt sind. Im Mai 1999 und im August 2005 kam es in kurzer Folge gleich zweimal zu Ereignissen in dieser Grössenordnung. An einzelnen Stellen treten heute bereits bei wesentlich geringeren Abflussmengen erste Schäden auf: in der Matte liegt die Schadensgrenze bei 380m3/s, in der Felsenau sind es 400m3/s. Für einen ausreichenden Schutz gegen solche Hochwasser müsste die Abflusskapazität an den kritischen Stellen deshalb um mindestens 200m3/s erhöht werden.

Kiesentnahmen als mittelfristige Massnahme geeignet

Die Abflusskapazität könnte mit einer Absenkung der Flusssohle durch Kiesentnahmen vergrössert werden. Im Fall der Aare hat die Variantenprüfung aber ergeben, dass auf diese Weise die Abflusskapazität an den kritischen Stellen lediglich maximal um 100m3/s erhöht werden kann. Damit wird das vorgegebene Schutzziel nicht erreicht. Als langfristig wirksame Massnahme scheiden Kiesentnahmen deshalb aus. Hingegen sollen sie zukünftig vermehrt als mittelfristige Massnahme ergriffen werden, um relativ rasch eine punktuelle Verbesserung des Hochwasserschutzes zu erreichen. In diesem Jahr sind der Aare im Schwellenmätteli und in der Felsenau insgesamt bereits rund 37’000m3 Kies entnommen worden. Zusätzliche Kiesentnahmen im Bereich Untertorbrücke sind geplant. Eine entsprechende Voranfrage wurde vor kurzem beim Kanton eingereicht.

Variantenentscheid nach Nutzwertanalyse mit Einbezug von Quartiervertretern

Anfänglich standen zehn Varianten zur Prüfung an. Davon wurden sechs Varianten nach einer ersten Runde von der weiteren Bearbeitung ausgeschlossen. Darunter auch eine Variante mit Nutzungsbeschränkungen für hochwassergefährdete Gebiete wie die Matte. Diese Variante wäre mit Entschädigungszahlungen von bis zu 200 Millionen Franken verbunden gewesen. Vier Varianten sind vom Projektteam, das aus Quartiervertretern und Fachleuten zusammengesetzt ist, mittels einer Nutzwertanalyse detailliert bewertet und klassiert worden, darunter zwei Stollenlösungen. Der Gemeinderat hat sich für das Weiterverfolgen jener Hochwasserschutz-Varianten entschieden, die in der Nutzwertanalyse am besten abgeschnitten haben: eine Variante mit Massnahmen am Gerinne, vor allem in der Matte, aber auch in den übrigen hochwassergefährdeten Gebieten («Objektschutz Quartiere an der Aare»), sowie diejenige Stollenvariante, die in der Nutzwertanalyse am besten abgeschnitten hatte («Stollen Dalmazi-Seftau»). Die übrigen Varianten werden nicht mehr weiterverfolgt.

Eine städtebauliche oder eine technische Lösung?

Mit den beiden verbleibenden Varianten stehen sich zwei völlig unterschiedliche Lösungen gegenüber:

  • Die Variante «Objektschutz Quartiere an der Aare» setzt auf bauliche Massnahmen zur Erhöhung gefährdeter Uferabschnitte. Sie beinhaltet zudem Massnahmen gegen das Eindringen von Wasser durch den Boden. Die Variante ist in städtebaulicher Hinsicht eine Chance, aber auch eine Herausforderung. Entscheidend dabei ist, wie die einzelnen Massnahmen in das Stadtbild integriert werden und wie auf lokale Gegebenheiten sowie die Interessen von Liegenschaftsbesitzern und Anwohnerschaft Rücksicht genommen werden kann.
  • Die Alternativ-Variante «Stollen Dalmazi-Seftau» setzt demgegenüber auf eine «technische» Lösung mit einem Stollen von rund 7 Metern Durchmesser, der im Hochwasserfall 200m3/s Wasser unter der Stadt hindurch ableitet.

Gemeinsam ist beiden Varianten, dass es sich um Jahrhundertbauwerke mit langwährenden Auswirkungen auf das gewohnte Stadtbild handelt. Der Gemeinderat erachtet es als wichtig, dass die Bevölkerung bei einem derart weit reichenden Entscheid frühzeitig und aktiv miteinbezogen wird. Er misst deshalb der Mitwirkung zu den beiden Varianten grosses Gewicht bei.

Die weiteren Schritte

Im bisherigen Auswahlverfahren war es weder möglich noch notwendig, die einzelnen Varianten bis ins Detail auszuarbeiten. Die Kostenschätzungen sind deshalb noch mit Unsicherheiten behaftet. Es zeichnet sich hingegen bereits heute ab, dass die Variante  «Stollen Dalmazi-Seftau» mit deutlich höheren Investitionskosten verbunden sein wird. Für die Mehrkosten müsste die Stadt alleine aufkommen. Bei der Variante «Objektschutz Quartiere an der Aare» ist der Detaillierungsgrad der Ausarbeitung noch gering. Eine zuverlässige Kostenschätzung ist - auch bei dieser Variante - erst möglich, wenn klar ist, wie die konkrete Ausgestaltung der Massnahmen aussieht. Dazu ist es nötig, die Massnahmen mit den betroffenen Liegenschaftsbesitzern vorgängig abzustimmen. Erst dann lässt sich das Verfahrensrisiko, das aufgrund der hohen Zahl betroffener Eigentümer potentiell gross ist, präziser abschätzen. In den nächsten Wochen und Monaten werden die beiden Varianten nun weiter bearbeitet und konkretisiert, so dass bis zur Mitwirkung noch offene Fragen geklärt sind und genauere Kostenschätzungen vorgelegt werden können.

 

 

Direktion für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün

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