Reglement über Kundgebungen auf öffentlichem Grund
Um im Hinblick auf die Adventszeit 1999 Klarheit zu schaffen, hat sich der Gemeinderat mit der Auslegung des Reglements über Kundgebungen auf öffentlichem Grund befasst.
Das Grundrecht der freien Meinungsäusserung umfasst auch die Demonstrationsfreiheit. Wie jedes Grundrecht gilt sie jedoch nicht uneingeschränkt. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Einschränkungen den Grundgehalt des Grundrechts unangetastet lassen und ob sie verhältnismässig und sinnvoll sind. Ein generelles Demonstrationsverbot, das sich auf eine bestimmte Zeit (z.B. Adventszeit), bestimmte geografische Gebiete (z.B. die Innenstadt), bestimmte Gruppierungen oder Demonstrierende beziehen würde, könnte vor der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wohl nur unter bestimmten strengen Voraussetzungen stand halten.
Kundgebungen spielen sich im öffentlichen Raum ab, der zeitweise von vielen Personen mit unterschiedlichen oder entgegengesetzten Interessen beansprucht wird. Es ist Aufgabe der Behörden, mit ihrer Bewilligungspraxis eine grundrechtskonforme Bewirtschaftung des öffentlichen Raumes zu garantieren, was auch heissen kann, dass Kundgebungen im Einzelfall verboten werden können.
Laut Artikel 4 des Reglements über Kundgebungen auf öffentlichem Grund werden Demonstrationen auf dem Bundesplatz während den Sessionswochen des eidgenössischen Parlaments von Montag bis Freitag grundsätzlich nicht bewilligt. Der Gemeinderat kann Ausnahmen gestatten. Die Auslegung dieses Artikels gibt keine Probleme auf.
Unklar war hingegen, wie Artikel 5 des Kundgebungsreglements ausgelegt werden sollte. Zuständig zur Erteilung von Demonstrationsbewilligungen ist die Polizeidirektion. Der Gemeinderat kann jedoch Fälle von grosser Tragweite zum Entscheid an sich ziehen. Dies bedingt, dass Klarheit darüber herrscht, was unter Fällen von grosser Tragweite zu verstehen ist; es bedingt aber auch, dass der Gemeinderat so rechtzeitig informiert ist, dass er seine Befugnisse wahrnehmen kann.
Der Gemeinderat interpretiert Artikel 5 Absatz 2 des Kundgebungsreglements wie folgt:
Fälle von grosser Tragweite sind insbesondere
- die beabsichtigte Verweigerung einer Bewilligung an sich;
- der beabsichtigte Erlass eines auf eine bestimmte Zeit, bestimmte geografische Gebiete oder bestimmte Gruppierungen oder Demonstrierende bezogenen Demonstrationsverbots.
Die Polizeidirektion ist beauftragt worden, den Gemeinderat über Fälle von grosser Tragweite unverzüglich in Kenntnis zu setzen, wie dies z.B. bei den sog. Chaostagen geschehen war.
Ausserdem hat der Gemeinderat beschlossen, dass den Strafanzeigen gegen Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer Kundgebung von Amnesty International im Dezember 1998 keine weitere Folge gegeben wird.